Orgelexkursion nach Bremen – Lübbecker und Espelkamper Orgelfreude wieder gemeinsam unterwegs.
Denkt man an Bremen, kommen schnell die „Stadtmusikanten“ in den Sinn. Während die auf dem Bremer Marktplatz wie die Orgelpfeifen der Größe nach geordnet aufeinander stehenden Tiere ins Reich der Märchen gehören, hatten es die Mitglieder der beiden Orgelvereine aus Lübbecke und Espelkamp doch eher mit den reellen Orgeln Bremens zu tun, als sie sich nach einjähriger pandemiebedingter Pause Anfang Oktober unter Leitung von Heinz-Hermann Grube, Mathias Johannmeier und Christoph Heuer in die Hansestadt aufmachten und dort drei ganz unterschiedliche Instrumente besichtigten.
Als erste Station stand die St. Martini-Kirche auf dem Programm. Die dortige Orgel mit ihrem prächtigen Prospekt wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Christian Bockelmann gebaut, wie der mitgereiste Orgelbauer Mathias Johannmeier erklärte. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Orgelwerk, das heute aus 33 Registern (drei Manuale und Pedal) besteht, mehrmals umgebaut, u.a. von dem berühmten Orgelbauer Arp Schnitger (frühes 18. Jahrhundert) und im 2. Weltkrieg zerstört. Der im Krieg eingelagerte Orgelprospekt ist hingegen im Original erhalten und zeichnet sich ganz im Stil der Weserrenaissance durch eine figurale Ausgestaltung und intensive Farbigkeit aus. Ein besonderes Gestaltungsmerkmal stellen die Spiegelprospekte dar. Hier sind einige Pfeifen mit dem Pfeifenkörper nach unten, also umgekehrt eingebaut. Mit seinem milden, obertonreichen Klang und in seiner besonderen Stimmung folgt das Instrument dem Ideal des 17. und 18. Jahrhunderts und ist besonders für den Vortrag Bachscher Orgelwerke geeignet. Dies demonstrierte die Organistin Saeko Kimura. mit zwei Werken des Leipziger Meisters und erntete damit viel Applaus. Zum Schluss der Besichtigung wurden die Besucher selbst aktiv, indem sie mit Blick auf das bevorstehende Erntedankfest gemeinsam einige Strophen des Liedes „Wir pflügen und wir streuen“ sangen, bevor sie zum Mittagessen aufbrachen.
Anschließend suchten die Orgelfreunde den Bremer St. Petri Dom auf, wo sie Domorganist Stephan Leuthold kenntnisreich und lebendig über zwei der fünf dortigen Instrumente informierte. Zunächst ging es in die Westkrypta, die hauptsächlich für Taufen oder Trauungen genutzt wird. Hier befindet sich eine kleine Orgel. Diese wurde 1730 vom berühmten sächsischen Orgelbauer Gottfried Silbermann gebaut. Das einmanualige Instrument zählt zu den kleinsten Modellen des Erbauers und hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Zunächst für die Kirche in Etzdorf (Sachsen) errichtet, kam es über Umwege 1939 nach Bremen. Neben den Prospektpfeifen aus Freiberger Bergzinn sind auch die übrigen Teile des Instruments (Mechanik, Windladen) weitgehend im Original erhalten, wie Leuthold erklärte. Mit seiner abgemildert mitteltönigen Stimmung lässt die kleine Orgel das Spielen vielfältiger Literatur zu. Leuthold, der die verschiedenen Register und Klangfarben anschaulich durch sein Spiel darstellte, wies vor allem auf eine klangliche Besonderheit hin: „Der Wind ist immer zu hören, was neben einem deutlichen Ansatz des Tones zu dessen Lebendigkeit beiträgt“.
Nach dem Besuch des kleinsten Instrumentes im Untergeschoss der Kirche führte der Organist die Gruppe zum größten, der Sauer-Orgel auf der Westempore. Nachdem das Vorgänger-Instrument von Johann Friedrich Schulze aufgrund ungünstiger Bedingungen (Wurmfraß und Witterungseinflüsse bei Umbauten am Turm) marode geworden war, wurde es von Wilhelm Sauer (Frankfurt / Oder) 1895 durch eine neue Orgel ersetzt, wobei der von Schulze entworfene Prospekt beibehalten wurde. Die in ihrem Klang romantisch anmutende Orgel wurde im Laufe der Zeit zahlreichen Umbauten unterzogen. Das ursprünglich dreimanualige Instrument mit 65 Registern wurde schon bald mit zusätzlichen Stimmen ausgestattet und erhielt einen neuen viermanualigen Spieltisch. Weitere bedeutende Umbauten erfolgten 1939 („Barockisierung“) und 1958, als die Beseitigung von Kriegsschäden zu einer radikalen technischen Veränderung und zur Beseitigung des ursprünglichen neogotischen Prospekts genutzt wurde. Eine Restaurierung in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts führte schließlich zu einer Rekonstruktion des ursprünglichen Prospekts und einer Wiederherstellung der Disposition gemäß den Vorstellungen des Erbauers. Wie Leuthold abschließend erläuterte, lässt sich an diesem Instrument sehr anschaulich zeigen, dass es sich bei einer Orgel um ein gewachsenes Instrument handelt, das über die Jahrzehnte dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst wird. Heute entspricht trotz aller technischen Erneuerung das Klangbild der 98 Register wieder dem Ideal Sauers.
Zum Abschluss bedankten sich beide Vereine beim Domorganisten mit einer ihrer je eigenen Orgelweinflaschen für die anschauliche Führung und ließen den Tag in Bremen auf unterschiedliche Weise ausklingen.
Nun freuen sich alle auf eine Fortführung der Exkursionen im nächsten Jahr. Und wer mag, findet zwischendurch möglicherweise auch eine Gelegenheit, sich die weiteren drei Orgeln im Dom anzuschauen.
Ina Härtel