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Wir verkaufen den Wein bei Orgelkonzerten und sonstigen Anlässen als Ausschank und flaschenweise (12,– Euro / Flasche).

Leergut nach dem Reformationstag 2017

Archiv

In diesem Archiv lohnt es sich zu stöbern. Seit der Gründung des Orgelbauvereins e.V. sind sämtliche Aktionen hier thematisch und chronologisch aufgeführt.

Konzerte

in der St.-Andreas-Kirche

2021

15. August 18:00 Uhr Danke!
Vorstellung einer neuen Orgel-CD

15. August 17:00 Uhr Die Kirschin Elfriede
Orgelkonzert (nicht nur) für Kinder
Johanna Willenbring (Sprecherin) und Kantor Heinz-Hermann Grube (Orgel)

18. Juli 18:00 Uhr Taste und Gebläse
Robert Schlägel (Posaune, Alphorn) und Kantor Heinz-Hermann Grube (Orgel)

27. Juni Eröffnung des Orgelsommers 2021


2019

31. Oktober Nacht der Chöre

6. Oktober Petite Messe solennelle (Rossini)
Kantorei an St.-Andreas, Klavierduo, Harmonium, 4 Gesangssolisten

14. Juli Die Arche Noah (Orgelkonzert für Kinder)
Sprecherin: Sabine Hafer; Orgel: Heinz-Hermann Grube

19. April Orgelmusik zum Karfreitag

03. März Jazz-Konzert
Pop-Up Jazz-Chor aus Detmold. Leitung: Anne Kohler


2018

30. Dezember Weihnachtsoratorium Teil 4-6
Kantorei an St. Andreas, Orchester Opus 7, 4 Gesangssolisten

18. Dezember Konzert des Wittekind-Gymnasiums

16. Dezember Offenes Singen
Offenes Singen mit allen Chören

12. November Ecce Homo (Kiefer) und Mozart-Requiem
Kantorei an St.-Andreas, Orchester Opus 7, vier Gesangssolisten

26. August Musik für Blockflöte und Orgel
Kathrin Härtel, Blockflöte; Heinz-Hermann Grube, Orgel

13. Juli Die fürchterlichen Fünf
Orgelkonzert für Kinder – Musik und Text
Musik: Michael Benedikt Bender; Text: Wolf Erlbruch; Orgel: Heinz-Hermann Grube; Sprecher: Irmgard Buchholz

21. Mai Musikalische Zeitreise durch das Barock
Konzert an verschiedenen Tasteninstrumenten gespielt von Erik Salvesen im Rahmen der “Nacht der offenen Kirche”

29. April Stabat Mater von Dvorak
Kantorei Lübbecke und Sinfonieorchester Lübbecke
Solisten: Catalina Bertucci (Sopran), Janina Hollich (Alt), Stephen Chambers (Tenor), Andreas Jören (Bass)

4. Februar 17:00 Uhr Orgelmusik von Buxtehude bis Susteck
Gespielt von Tobias Aehlig, Domorganist in Paderborn
Weitere Informationen: Plakat Tobias Aehlig


2017

19. Dezember Konzert des Wittekindgymnasiums
Schülerchor (Leitung: Marie-Jeanne Boiten) und
Orchester (Leitung: Harald Szobries)

17. Dezember Offenes Singen
Chor Laudate, Kantorei Lübbecke und Seniorenkantorei (Leitung: HH. Grube)

31. Oktober Reformationstag “Erleuchtet”
Kirchenchor Blasheim (Leitung J. Krügel), “Choralien” Blasheim (Leitung U. Helling), Seniorenkantorei (Leitung HH. Grube), Kirchenchor Levern (Leitung O. Rust), “Laudate” Lübbecke (Leitung HH. Grube), Kantorei Lübbecke (Leitung HH. Grube), Posaunenchöre Blasheim, Lübbecke und der “Selk” Stockhausen (Leitung: C. Wischmeyer)

1. Oktober Paulus von Felix Mendelsohn-Bartholdy:
Kantorei Lübbecke, Kantorei Espelkamp, Kantorei Bad Liebenwerda, Orchester Opus 7  und die Solisten Hanna Zumsande (Sopran), Eike Tiedemann (Alt), Mirko Ludwig (Tenor) und Daniel Eggert (Bass)
Weitere Informationen: Plakat Paulus

27. August Orgelkonzert (Orgelsommer 2017)
Prof. Bernhard Klapprott: einer der besten Organisten Deutschlands mit Stücken von Bach, Buxtehude, Pachelbel und Kellner

16. Juli Musik für vier Hände und vier Füße (Orgelsommer 2017)
Orgel: Balázs Méhes, Tiszakesce und Heinz-Hermann Grube
Klavier: Dr. Livia Hegedes

Foto: Scheele
Organisatoren des Orgelsommers 2017

1. Juli Lust auf Luther
Kantorei der Auferstehungskirche Bad Oeynhausen, Kantorei an St. Andreas, Kantorei der Christuskirche Minden-Todtenhausen, Kantorei Enger, die örtlichen Posaunenchöre und
Instrumentalisten
Weitere Informationen: Plakat Lust auf Luther

14. April Musik am Turm. Dein Kreuz – mein Kreuz
Ulrich Schütte (Bariton), Jörg-Peter Mittmann (Oboe) und
Orchester OPUS 7
Weitere Informationen: Plakat Musik am Turm

2. April Sarah Kaiser Band
Lübbecker Jazz Club
Weitere Informationen: Plakat Sarah Kaiser

Cord-Krüger-Orgel

Die St. Andreas-Kirche birgt neben verschiedenen Kunstwerken einen ganz besonderen Schatz: das einzigartige Orgelgehäuse des Orgelbauer Cord Krüger, der im 17. Jahrhundert die weltbekannte Orgelbaukunst Norddeutschlands mit begründete. Das Gehäuse ist bis heute erhalten, während das Werk (Orgelpfeifen, Register) im Laufe der Zeit mehrmals ausgetauscht wurde, zuletzt im Jahr 1961/62. Damals entstand die Steinmann Orgel, die heute im Gottesdienst und bei Konzerten erklingt.

Allerdings wurden bei der letzten Generalüberholung deutliche Mängel festgestellt, die auf Dauer den Klang und die Spielbarkeit beeinträchtigen werden.

Ziel ist, eine Orgel zu bauen, die den modernen liturgischen und künstlerischen Anforderungen entspricht, und das wertvolle Gehäuse mit einbezieht und würdigt.

Wie einzigartig diese Orgel ist, wurde erst während der historisch hochinteressanten Recherchen von Prof. Dr. Karl-Jürgen Kemmelmeyer erkannt. Diese hat er in seinem Buch „Zur Geschichte der St.-Andreas-Kirche Lübbecke und ihrer Orgeln“ veröffentlicht. Erhältlich ist das Buch u.a. in der Bücherstube Oelschläger in Lübbecke.

Impressum/Kontakt

Kirch- und Orgelbauverein Lübbecke e.V.

Kantor Heinz-Hermann Grube
Pfarrstr. 3
32312 Lübbecke
E-Mail: hhgrube@kirchengemeinde-luebbecke.de
Tel.: 05741 230030

Vorsitzender Friedrich Föst
Schützenstr. 10
32312 Lübbecke
E-Mail: info@orgelbauverein-luebbecke.de
Tel.: 05741 233 1033

Vereinsregister: VR 1274
AG Bad Oeynhausen

Für den Verein:

Aufsichtsbehörden für den Verein:
Amtsgericht Bad Oeynhausen
Bismarckstr. 12
32545 Bad Oeynhausen

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verantwortlich i.S.d.P.
Friedrich Föst und Dr. Barbara Föst
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Ina Härtel

Texte (u.a. von):
Prof. Dr. Karl-Jürgen Kemmelmeyer
Ina Härtel
Friedrich Föst

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Musikgruppen

Folgende Musikgruppen sind in der St.-Andreas-Kirche zu Lübbecke aktiv:

  • Kantorei an St.-Andreas (Leitung: Heinz-Hermann Grube)
  • Seniorenkantorei (Leitung: Heinz-Hermann Grube)
  • “Laudate” (Leitung: Heinz-Hermann Grube)
  • S(w)ing & Praise Gospelchor (Leitung: Eva Kob)
  • Spatzenchor – Kinder ab 5 Jahre (Leitung: Heinz-Hermann Grube)
  • Kinder-Musical-Chor ab dem 3. Schuljahr (Leitung: Heinz-Hermann Grube)
  • Jugend-Chor ab dem 7. Schuljahr (Leitung: Heinz-Hermann Grube)
  • Bläserausbildung für Kinder ab 8 Jahren (Claus Wischmeyer)
  • Posaunenchor (Leitung: Claus Wischmeyer)
  • Seniorenchor (Leitung: Tamara Raddy)
Kantorei an St. Andreas (2012)
Seniorenkantorei
„Laudate“ und Combo (Friedhelm Diekämper, Saxofon, Tobias Kleffmann, Schlagzeug, und Ralf Weber, Bass)
S(w)ing and Praise – Gospelchor
Spatzenchor (Tauferinnerungsgottesdienst 2018)
Posaunenchor (Foto: NW Robert Rolf Grundmann)

Geschichte St. Andreas

Prof. Dr. Karl-Jürgen Kemmelmeyer hat uns die Geschichte der Lübbecker St.-Andreas-Kirche sehr ausführlich und interessant verfasst. Eine gekürzte Version können Sie hier nachlesen. Die originale Fassung (Stand Juni 2018), die alle Quellenangaben und auch die Geschichte der Orgel und die politischen Zustände zur Zeit ihrer Entstehung enthält, finden Sie hier als Pdf-Datei.

Zur Geschichte der Lübbecker St.-Andreas-Kirche
(Stand Juni 2018)

Der heutige Standort der St.-Andreas-Kirche war schon in früheren Zeiten ein Ort der Anbetung Gottes und von großer Bedeutung für das Lübbecker Land. Lübbecke gehörte zur Sachsenmission des Klosters Fulda. Erkanbert, der 1. Mindener Bischof, war Mönch des Klosters Fulda. Bei Grabungen in den 1950er Jahren ist man auf Überreste einer möglichen Kapelle aus Feldsteinen gestoßen – die Reste wurden in einer Tiefe von 80 cm unter der Kapitelstraße (damals vor dem Schäferschen Hause) gefunden. Da Lübbecke im Missionsbezirk Fulda zu den Urkirchspielen gehörte, wäre hier eine Kapelle zu erwarten. Diese Kapelle wurde nicht überbaut, sondern vom Neubau einer einschiffigen romanischen Kirche ersetzt. Diese wiederum wurde um 1160-1180 zu einer romanischen Kirche auf kreuzförmigem Grundriss mit Tonnengewölben erweitert. Untersuchungen in Verbindung mit der Renovierung um 1927 ergaben, dass eine Krypta, die am heutigen Kanzelpfeiler begann und wesentlich höher war als der heutige Chorraumfußboden, vorhanden gewesen sein muss. In ihr befand sich das von einer Quelle gespeiste Erwachsenen-Taufbecken, das 1926 bei Grabungen im Rahmen der Renovierung unter der heutigen Vierung gefunden wurde. Die erneute Erweiterung zu einer dreischiffigen Hallenkirche war 1350 durch den Anbau der Seitenschiffe mit gotischen Kreuzrippengewölben abgeschlossen (Tafel dazu an der Nordwand der Kirche) – zuerst das nördliche, dann das südliche Kirchenschiff. Da für diese Baumaßnahme auch das Dach angehoben werden musste, war auch eine Erhöhung des Kirchturms erforderlich. Der Kirchturm diente auch als Wachturm zur Beobachtung von Feuerausbrüchen in der Stadt und von herannahenden Truppen. Der Turmhelm wurde von Meister Clodt aus Kutenhausen gezimmert und 1743 erneuert; er hat heute eine Höhe von 57 Metern.

Der Turm mit über 2 Meter dicken Mauern zeigt außen äußerst präzise gearbeitete Steine, die darauf schließen lassen, dass eine Bauhütte beteiligt war. Er enthält auf Höhe der heutigen Orgelempore eine landesherrschaftliche Kapelle, die durch zwei romanische Rundfenster mit dem unteren Kirchenraum akustisch verbunden war. Die präzise gearbeiteten Steine der Turmmauern, die Simsverzierungen der Säulen (Würfelmuster, Akanthusblätter), der herausgehobene Triumphbogen deuten darauf hin, dass die Soester Bauhütte wohl beim Bau Einfluss hatte (vergl. St. Patroklus Soest, datiert 1170-1180) und dass hier ursprünglich auch der Altarraum begann: in der Vierung, mit dem Altar auf der Krypta und dem wohl im Triumph-Bogen aufgehängtem Triumph-Kreuz. Das Lübbecker Triumph-Kreuz stammt aus dieser Zeit. Lübbecke, bereits zum Jahre 775 in den Fränkischen Reichsannalen erwähnt, erhielt 1279 Stadtrechte.

1 Grundriss und Seitenansicht (1904)

Der Grundriss lässt einerseits erkennen, wie dick die Mauern des Turmes gebaut wurden, in denen ein Treppengang zur landesherrschaftlichen Kapelle emporführt und zeigt andererseits, welche Mauern der Kirche auf kreuzförmigen Grundriss bei der Erweiterung 1350 mit verwendet wurden. Die gerühmt gute Akustik der Kirche wird darauf zurückgeführt, dass die gotischen Seitenschiffe eine etwas größere Deckenhöhe aufweisen als das romanische Mittelschiff.

2 Triumph-Kreutz in der St.-Andreas-Kirche Lübbecke. 12. Jh., unbeschädigter Zustand 1907.

Untersuchungen 1960 brachten folgendes Ergebnis: Skulptur aus einem Baumstamm geschnitzt, ursprünglich fleischfarben bemalt, Gürteltuch rot gefasst. Haltung und Zapfenlöcher im Kopf der Skulptur lassen den Schluss zu, dass dort eine vergoldete Siegeskrone befestigt war. Wie das Kreuz in den Dom zu Münster kam, ist bisher nicht geklärt; es wurde dort aber mit dem Etikett „St. Andres Lübbecke“ versehen. 1943, bei der Bombardierung des Domes, hing das Kreuz über dem Südportal: Es fiel herunter, die Arme brachen dabei ab und es wurde dann provisorisch im Dommuseum sichergestellt. Kantor E.-A. Klinker entdeckte 1958 die oben abgebildete Fotografie und holte das kostbare Kunstwerk unmittelbar darauf nach Lübbecke zurück. Die Skulptur wurde restauriert und auf einem neuen Eichenkreuz befestigt. Heute bildet das Kreuz den Mittelpunkt des wiederhergestellten romanischen Chorraums.

3 Chorraum, originale Fresken aus dem 12. Jahrhundert

Bei der Renovierung 1959-1961 wurden die originalen romanischen Fresken freigelegt und die rekonstruierten Teile deutlich mit blasserer Farbgebung gekennzeichnet. Diese Restaurierungsart war beeinflusst vom Malskat-Skandal 1952: Malskat hatte angeblich 1948 bei seiner Restaurierung der Marienkirche in Lübeck bedeutende „gotische Fresken“ entdeckt, die sich später als Kunstfälschung von ihm selbst herausstellten. Die Seitenwände zeigen vermutlich die 12 Apostel in der himmlischen Stadt – eine deutende Untersuchung steht noch aus. Das Fresko auf der Ostwand wurde 1883 beim Einbau des großen Fensters (1959 wieder geschlossen) zerstört.

Privilegierte Stiftsherren mit geistlichen Aufgaben – 1295-1810

Die Geschichte der St.-Andreas-Kirche weist eine Besonderheit auf: Seit 1295 waren die Besitzverhältnisse getrennt. Der Chor-Teil gehörte dem Stift St. Andreas; der übrige Teil der Kirche unterstand dem Patronat der Stadt Lübbecke.

4 Epitaph des Domvikars Heinrich Lar aus Minden. 1539. Aufschrift CAPITULUM S. ANDREAE.

Den Brauch, Stifts und Ratsherren in der Kirche zu beerdigen, gab man im 19. Jh. auf; die Grabplatten wurden versteigert und als Baumaterial in der Stadt verwendet. Die Südtreppe der Kirche wurde aus alten Grabplatten gebaut. Einige Grabplatten kamen bei Straßenarbeiten wieder zum Vorschein und wurden an der Außenwand der Kirche aufgestellt. Die Kirche besitzt heute noch viele historisch und künstlerisch wertvolle Epitaphien und Grabplatten.

Im Jahre 1295 verlegte der Bischof Ludolf von Minden ein Canonikerstift von Ahlden an der Aller über Neustadt am Rübenberge nach Lübbecke. Da Lübbecke schon damals eine befestigte Stadt war, fühlte man sich hier wohl sicherer; zudem zeigte sich in der Verlegung der Wunsch des Bischofs, Lübbecke als Stadt zu stärken und deren zentralörtliche Funktion zu bestätigen. Das Stift bestand aus sechs Canonikaten und neun Vikarien. Es besaß Ländereien als Streubesitz von Hamburg bis Paderborn. Diese wurden nach und nach abgestoßen, die daraus erzielten Einkünfte legte man in Lübbecke und dem weiteren Umland neu an. Das Stift bestand aus sechs Kanonikern, die in Lübbecke Präsenzpflicht hatten, also persönlich anwesend sein mussten. Nach der Reformation entfiel die Präsenzpflicht, das Stift bestand jedoch weiter. 1810 wurde das Stift aufgelöst, sein Besitz fiel an den preußischen Staat, der sich verpflichtete, für alle Reparaturen und Arbeiten am Chorraum der St.-Andreas-Kirche aufzukommen (heute Staatshochbauamt Bielefeld).

Das Stift betreute neun Vikarien, die auf Stiftungen zurückgehen, die ortsansässige Adelige und begüterte Bürger für das Seelenheil ihrer Familien eingerichtet hatten. Die Kanoniker wurden dadurch verpflichtet, Messen für das Seelenheil dieser Familien zu lesen. Die Canoniker und ihre Vikare hatten täglich Gottesdienst zu halten hatten und kamen zum Chorgebet (Horen) zusammen. Dazu nutzen sie den Chorraum unten in der Kirche oder im Kirchturm die landesherrschaftliche Kapelle, die mit einer Brücke zum höheren Stockwerk des Stiftshauses verbunden war (die Tür ist außen auf der Südseite des Kirchturms noch sichtbar). Das Recht des Landesherrn auf Nutzung dieser Kapelle wurde erst 1650 aufgegeben.

Die Namen der einzelnen Vicarien verraten noch die Namen der neben dem Gemeindealtar damals vorhandenen neun Altäre in der St.-Andreas-Kirche (in Klammern die Namen der 1632 verzeichneten Patronate):

1 Dreieinigkeit (von Münch)  – 2 St. Andreas (von Haddewig, ab 1632 von Klencke und von Wulffen) – 3 St. Thomas (von Schloen genannt Tribbe) – 4 Dreieinigkeit (ein zweiter Trinitatis-Altar, Familie Haverkamp, 1632 von Schloen genannt Gehle und der Rat der Stadt Lübbecke) – 5 Allerheiligen (Sekretariat der Stadt) – 6 Jungfrau Maria (Stiftsdekan und Kapitel)  – 7 St. Bartholomäus & St. Jodocus (gegründet von der Familie Campen, 1632 Rat der Stadt) – 8 Maria Magdalena (Patronat unbekannt) – 9 Heilige Drei-Könige (Ratsversammlung)

Nach der Reformation entfiel die Präsenz- und Residenzpflicht. Die Einkünfte mehrerer Altäre wurden für weltliche Zwecke – z. B. Stadtschreiber und Stadtschule – umgenutzt. Die pädagogischen Leistungen des Stiftes gingen in der neu gegründeten Stadtschule auf; die Armenfürsorge oblag nun vollständig der Stadt. Im Jahre 1947 lebte das Stift symbolisch durch die Einrichtung einer dritten Pfarrstelle wieder auf; auch der Name St. Thomas erinnert an einen der Altäre des Stifts.

Politik, Krieg und Not in Lübbecke zur Zeit des Baues der Cord-Krüger-Orgel

Auslöser für den Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 waren die vorausgegangenen Auseinandersetzungen um die reformatorische Lehre Luthers, die nicht ein Disput unter Theologen blieben, sondern standespolitisch zum Aufstand der Bauern führten, landespolitisch der erstrebten größeren Eigenständigkeit der Fürsten dienten und europapolitisch Papst, Könige und den Kaiser in einen Strudel aus Eigeninteressen zogen, den man, wie man glaubte, nur durch ständige, wenn auch zunächst lokal begrenzte Kriege auflösen zu können, um wieder Ordnung im Reich zu schaffen. Propagandistisch war es ein Religionskrieg, eine Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Katholischer Liga auf der einen und Protestantischer Union auf der anderen Seite, de facto jedoch ein Krieg, dessen strategische Ziele von Machtinteressen der Länderfürsten und des Kaisers geprägt wurden. Der Krieg vernichtete im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Dörfer durch Heere und marodierende Trupps, er setzte Städte in Brand, plünderte sie ohne Rücksicht auf Religionszugehörigkeit aus oder vernichtete sie einschließlich Bevölkerung nahezu vollständig wie z. B. 1626 in Münden (Hann. Münden) und 1631 in Magdeburg. Das alles führte jedem Christen, gleich welcher Konfession, mal wieder vor Augen, wie elend doch das Leben hier auf Erden sei und wie schön es im Himmelreich sein müsse – ein Thema vieler Kirchenlieder aus dem 17. Jahrhundert.

Im Dreißigjährigen Krieg blieben die Lübbecker von Kriegslasten, Einquartierungen, Überfällen, Geiselnahmen und Raub nicht verschont. Der Krieg ernährte damals die Kriegsführenden, er war ein Geschäft, und die Schwächsten, die Leidtragenden bei diesem Geschäft waren die Bauern und die Bürger der Städte. Die Heere der Kriegsparteien bestanden aus Söldnern, aus Berufssoldaten, die ohne politische Bindungen ihre Dienste dem Fürsten verkauften, der sie als Machtmittel gerade benötigte und bezahlte. Verpflichtungen kannten Sie nur gegenüber ihren Heerführern wie z. B. Wallenstein, Tilly, Mansfeld, Pappenheim, die ihnen ja „Arbeit“ boten. Wenn den Fürsten, den Auftraggebern, das Geld knapp wurde, so „verheerten“ die Söldner die Regionen, die sie gerade durchzogen oder in denen sie ihre Winterquartiere bezogen hatten, um Fourage für die Pferde und Verpflegung für sich und ihren großen Tross zu beschaffen. Blieb die Bezahlung gar aus, so wurden mit Billigung der Heerführer Städte zur Plünderung freigegeben oder belagerte Städte mussten sich mit hohen Summen freikaufen, um größeren Schaden zu vermeiden – Erpressung und Verschleppung gehörten zum Alltag. Außerdem brachten die Landsknechte Krankheiten mit, so die Pest 1626 in Lübbecke. Im Dreißigjährigen Krieg erlebten einzelne Regionen aber auch Zeiten der Ruhe, wenn sich das Kriegsgeschehen gerade in entfernteren Regionen abspielte.

Studierte Lübbecker wie der Humanist und Publizist Johannes Buschmann im Geist der lutherischen Lehre oder Johannes Haverkamp, Vikar der Vikarie „Sanctae Trinitatis“ im St.-Andreas-Kapitel und konservativ für den katholischen Glauben eintretend, personifizierten die Gegensätze der Meinungen in Lübbecke. Im Gegensatz zu Herford, wo es bereits 1529 zum handfestem Streit um die neue Lehre der Reformation gekommen war, und Minden, wo im gleichen Jahr die Bürger ihren Prediger, den Benediktiner und Lutheranhänger Heinrich Traphagen, aus dem Stadtgefängnis befreiten, verhielten sich die Lübbecker und der Rat der Stadt offenbar zunächst abwartend; erst für 1569 wird der erste evangelische Bürgermeister und 1574 der erste evangelische Stadtprediger nachgewiesen. Offenbar hielten die Stiftsherren, die die Altäre unterhielten, und die Adeligen der Stadt, die Burgmannsshöfe in der Stadt besaßen, am katholischen Glauben noch länger fest, während sich die Bürger Lübbeckes mehr und mehr der reformatorischen Lehre zuwandten.

Bereits 1583 wurde das Augsburger Bekenntnis für die Ämter im Stift Minden und in Lübbecke durch den Administrator Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (Amtszeit 1582-1585) für verbindlich erklärt; die Städte konnten aber weiterhin ihre kirchlichen und schulischen Angelegenheiten selbst regeln. Der Lübbecker Rat entschloss sich später, die 1618 entstandene „Lüneburgische Kirchenordnung“ einzuführen.

5 Epitaph im Südschiff. Zustand 1962

Erinnerung an die Brüder Christian und August Balthasar von Wulfen aus Lübbecke. Der Oberstleutnant Christian fiel 1641 bei Wehrendorf, der Rittmeister August Balthasar 1645 bei Donauwörth. Ihr Hofgut in der Stadt, von der Schwester Catharina Margarete von Wulfen verwaltet, brannte 1648 ab.

Aus der: Stadtchronik Lübbecke: Der dänische Überfall

Obwohl die Stadt bereits 1626 Geld an die Dänen, die die Stadt erfolglos belagerten, für einen Schutzbrief gezahlt hatte, nahm Pfingsten 1627 ein Trupp dänischer Soldaten Lübbecke nach Kanonade des Niedertores ein, plünderte die Stadt und verlangte als Lösegeld die schwindelnd hohe Summe von 8.000 Reichsthalern, sonst würden sie mit 600 Soldaten die Stadt besetzen oder die Stadt in Brand setzen. Da das Geld so schnell nicht aufzutreiben war, stellte man Geiseln mit dem Versprechen, die Geiseln durch spätere Zahlung auszulösen. Die Geiseln wurden bis Nienburg mitgeschleppt, ihre Erschießung drohte. Man einigte sich im Juli 1627 auf eine Zahlung von 6.000 Reichsthalern in Raten, deren erste Rate die Familie von Grappendorf vorstreckte, weil die Stadtkasse leer war. Wegen Veränderung der politischen Lage ließen die Dänen die Geiseln gezwungenermaßen frei, die Gesamtsumme wurde niemals voll bezahlt. Trotz Klagen bis hin zum Reichskammergericht hat die Familie von Grappendorf ihr verauslagtes Geld nie von der Stadt Lübbecke zurückerhalten – der Fall beschäftigte die Gerichte bis 1748.

6 Madonna mit Jesuskind. Spätromanisch.

Die ehemals doppelfigürliche Madonna gehörte zu einem Radleuchter, dessen Rad aus einem Rosenkranz mit Kerzenhaltern gebildet wurde. Die Madonna verdankt ihre Erhaltung der Familie des Freiherrn von Ledebur (Gut Crollage): Im Rahmen der Renovierung 1927 übergab sie die Madonna wieder der Kirche.

Eine Sage und die Wirklichkeit

Der Sage nach verdankt die St.-Andreas-Kirche diesem Leuchter mit der spätromanischen Madonna-Figur ihre Erhaltung. Als im Dreißigjährigen Krieg französische Soldaten in die Kirche eindrangen und die Kirche anzünden wollten, bewegte sich der Leuchter im Luftstrom der offenen Türen – in Lübbecke ist es ja öfters windig! Die Soldaten sahen darin ein Zeichen der Muttergottes, hielten die Kirche für katholisch und ließen von ihrem Vorhaben ab. Doch ein Blick in das Lübbecker Stadtbuch zeigt eine andere Wirklichkeit: 1627 wurden Stadt, Kirche und Rathaus nicht verschont. Damals kam es zum Kampf eines protestantischen Trupps gegen eine kaiserliche Abteilung. Die Kaiserlichen mussten eine Niederlage hinnehmen, aber die Soldaten der Protestantischen Union drangen dennoch in die Stadt ein und plünderten und raubten.

Vom Wandel des Innenraums

Theologische Lehre und der Geschmack der Zeit brachten dem Innenraum der St.-Andreas-Kirche viele Veränderungen. Leider wurden viele Akten und Dokumente im Dreißigjährigen Krieg, beim Brand des Lübbecker Rathauses 1705 und im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Leider erlebte die Kirche auch Anfang des 19. Jahrhunderts einen Bildersturm. Der letzte Stiftsdekan, Karl von Varendorf, ordnete 1804 einen allgemeinen Verkauf der Wertsachen der Kirche an: Alle Altäre wurden abgebaut, die Engel an der Prieche der von der Reckes verschwanden, Grabsteine, deren Entstehung bis ins hohe Mittelalter zurückreichte, wurden verkauft und als Baumaterial weiter verwendet – die Südtreppe der Kirche besteht aus alten Grabplatten, und bei Straßenbauarbeiten und dem Abriss von Häusern kamen einige Grabplatten wieder zu Tage, die an der Außenwand der Kirche nun einen würdigen Platz fanden. Reste der alten Altäre sowie die Front einer Renaissance-Empore wurden auf den Dachboden der Kirche verbracht. Wie das alles ohne Widerstand der Gemeinde geschehen konnte, ist noch ungeklärt, denn das Stift konnte nur über den Chorraum verfügen, alles andere war Eigentum der Stadtgemeinde. Umso erfreulicher ist es, dass dennoch einige Kunstgegenstände erhalten blieben und heute wieder einen angemessenen Platz in der St.-Andreas-Kirche fanden.

7 Fresko „Mariae Verkündigung“ 15. Jh. (?)

Das Fresko auf der Süd-West-Wand wurde bei der Restaurierung 1959-1961 freigelegt. Es zeigt Maria (Mitte) mit Engeln. Aufgrund des schlechten Zustands entschied die Denkmalpflege, dass das Fresko mit einer Gaze für spätere Restaurierungen gesichert wird. Die Wand wurde wieder weiß gestrichen.

In der Amtszeit (1828-1864) des hochgebildeten Pfarrers Arnold Wilhelm Möller (1791-1864) erfuhr der Innenraum der St.-Andreas-Kirche eine wesentliche Veränderung. Möller war durch viele Publikationen bekannt geworden und veröffentlichte im Eigenverlag eine Kirchen- und Schulchronik. In diesen Schriften finden wir zusammenfassende Angaben zur Geschichte der Lübbecker Kirche und auch zur Orgel. Möller fand die Kirche in einem desolaten Zustand vor und sah eine Chance zur Verbesserung. Im Zusammenhang mit der Auflösung des Stiftes 1810 war nun Preußen in der Pflicht, finanzielle Mittel für die Gestaltung des Chorraums bereitzustellen. 1828 schrieb Möller direkt an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) in Berlin und berichtete über den verfallenen Zustand des Altarraums, über das Fehlen eines würdigen Altarbildes und eines Taufsteins und über den viel zu tief gelegenen Fußboden des Chorraums – dieser heute wichtige Hinweis zum niedrigen Fußboden kann als indirekter Beweis gedeutet werden, dass die Kirche von 1180 tatsächlich eine Krypta in der Vierung besaß; anderenfalls hätte man nach romanische Bauweise gleich im östlichen Teil den Fußboden des Chor- bzw. Altarraums höher gelegt, mit herabführenden Stufen zum Kirchenschiff.

Eine Schenkung des preußischen Königs

Die Veränderung des Kirchengestühls, die Restaurierung der für Adelige vorgesehenen Priechen und der Umbau der Anhebung des Chorraumbodens mit Stufen, wie wir ihn heute sehen, müssen 1830 abgeschlossen worden sein. Der König hatte schnell per Kabinettsorder vom 20.12.1828 nicht nur die Baumaßnahmen und weiteres Geld für einen neuen Altar und Taufstein genehmigt, sondern gleich auch per ministerieller Benachrichtigung vom 11.11.1829 für den neuen Altar ein Gemälde durch Vermittlung der königlichen Akademie der Künste ausgewählt, das in Lübbecke nach Abschluss der Bauarbeiten eintraf.

8 „Die Taufe Jesu im Jordan“. Gemälde von Dosso Dossi. Spät-Renaissance

Am 14.11.1830 wurde der neue Altar mit einem kirchlichen Festakt eingeweiht. 1817 hatte der König die Zusammenführung der reformierten und lutherischen Gemeinden zur „Evangelischen Kirche in Preußen“, zur sogenannte „unierten Kirche“, verordnet: 1830 hielt Möller dazu in Lübbecke Vorträge und Predigten, die Gemeinde trat offenbar im gleichen Jahr der Union bei. 1830 fanden in ganz Preußen, so auch in Lübbecke, auf Geheiß des Königs Feierlichkeiten zum Jubiläum des Augsburger Reichstagsbeschlusses („Confessio Augustana“ vom 25.6.1530) statt, der als Geburtsstunde der evangelischen Kirche angesehen wird. So war die Genehmigung der Mittel für den Umbau des Chorraums in Lübbecke und die Schenkung des Bildes ein kluger Schachzug des Königs zur Akzeptanz der Unierten Kirche und zur Identifikation mit der evangelischen Nation Preußen.

9 Schinkels Entwürfe für den neuen Taufstein und das Tragwerk des neuen Altarbildes von Dosso Dossi

Das große Gemälde „Die Taufe Jesu im Jordan“ stammt aus der Sammlung des damals in Berlin ansässigen Kaufmanns Solly, die 1821 von der Verwaltung der königlichen Sammlung in Berlin aufgekauft wurde. Karl Friedrich Schinkel entwarf einen neugotischen Altar als Tragwerk für das Gemälde und dazu gleich einen passenden Taufstein. Der preußische Staatsbaumeister hat die Skizze wohl schnell neben seinen vielen Verpflichtungen abgearbeitet, denn die Maße seiner Zeichnung mussten verändert und in der Ausführung angepasst werden, weil das Dossi-Gemälde höher war. Dadurch veränderten sich die harmonischen Proportionen des schinkelschen Entwurfs wesentlich: Der Altar muss wie eine schmale Bildtafel im Chorraum, dessen Ostwand damals noch kein Fenster hatte, gewirkt haben. Bereits für Juni 1841 wird eine Reparatur des beschädigten Altarbildes vermerkt, und bereits 1883 ersetzte man den Altar durch ein historisierendes Konglomerat aus Resten der alten Altäre, die man vom Dachboden wieder herunterholte. Schinkels Taufstein blieb jedoch im Chorraum und fand 1961 einen neuen Platz im unteren Kirchturmgewölbe.

Weitere Veränderungen

Der Ostgiebel der St.-Andreas-Kirche bestand ursprünglich aus Fachwerk; über dem Chorraum befand sich die Amtsstube des Kapitelpredigers. Dieser 1871 als sehr baufällig befundene Giebel wurde 1883 durch einen Sandstein-Giebel mit einem großen neugotischem Fenster und einer Rosette ersetzt. Weil die Kapitelstube entfiel, liegt nun das Dach des Chorraums tiefer als früher. Die Taufstube und die Sakristei wurden ebenfalls im 19. Jahrhundert angebaut.

1893 begann die Verwaltung der Provinz Westfalen mit der Veröffentlichung eines Fundamentalinventars aller Bau- und Kunstdenkmäler in den Landesgrenzen Westfalens: Der Band für den Kreis Lübbecke erschien 1907 (LUDORFF 1907, Stadt Lübbecke Seite 78 ff.) und enthält heute für den Historiker höchst wertvolle Zeichnungen, Abbildungen, Fotografien und Beschreibungen. Die folgenden Abbildungen vom Innenraum der Lübbecker Kirche zeigen den Zustand um 1904.

10-11 Ludorffs Fotografien vom Innenraum der Kirche (1904)

Der Chorraum hat jetzt einen Aufgang mit Stufen, sein Fußboden liegt höher als der Fußboden der Kirchenschiffe (Ergebnis der Baumaßnahmen von 1829-1830). Die Kirche zeigt an Decken und Wänden keine Bemalungen. Die Säulen sind glatt geputzt und offenbar dunkler gestrichen. Die Ostwand des Chorraums wird von einem großen neugotisches Fenster mit verbleiten Glasmalereien (1883) dominiert, der Lichteinfall macht den Altar nur in seinen Konturen wahrnehmbar und erschwert die Betrachtung seiner Skulpturen oder Bilder. Im Chorraum steht der im Stile des Historismus gestaltete Altar von 1883 und mittig der Taufstein nach dem Entwurf von Schinkel. Die Kanzel, 1666 gefertigt von Meister Meyer aus Lemgo und gestiftet von Margaretha von Wulfen, zeigt noch weiße Farben und ist eventuell noch in der originalen Farbfassung erhalten. Die Kirche besitzt in der Vierung nördlich und südlich des Chorraums kleinere Priechen sowie größere Priechen auf der Nordseite (sichtbar) und vermutlich auch auf der Südseite (im Bild nicht sichtbar). Das Gestühl zeigt kastenförmige Abgrenzungen (namentliche Platzprivilegien der Lübbecker Familien?); dabei scheint es sich noch um das alte Gestühl zu handeln, da noch Schnitzereien aus der Spät-Renaissance vorhanden waren. Auf der Orgelempore steht bereits die 1904 eingeweihte Klaßmeier-Orgel im erweiterten alten Cord-Krüger-Gehäuse.

Die Renovierung um 1927

Die nachfolgende Renovierung, die am 20.3.1927 mit der neuen Weihung der St.-Andreas-Kirche zu einem Abschluss gekommen war, muss bei dem Umfang der Arbeiten schon um 1925 begonnen worden sein. Diese Renovierung, bei der auch Grabungen im Innenraum und genauere Untersuchungen der Decken, Wände und Säulen vorgenommen wurden, veränderte die Innenraum-Wirkung radikal. Bis auf die Orgelempore wurden alle Priechen und das alte Kirchengestühl abgebaut und als Brennmaterial versteigert. Neue Kirchenbänke mit Queraufstellung im Mittelschiff einschließlich Gang als zentraler Mittelachse mit Durchblick vom Turm bis zum Altar sowie längs aufgestellte Kirchenbänke in den Seitenschiffen und in der Vierung unterstrichen nun den Grundriss der Kirche.

12-13 Innenraum der Kirche, Postkarten. Zustand um 1957

Schinkels Taufstein wurde nach links versetzt, um die Mittelachswirkung mit der Blickrichtung auf den Altar nicht zu stören. Rechts am Eingang des Chorraums sieht man ein Orgelpositiv, das 1957 von Alfred Führer (Wilhelmshaven) für die Kirche gebaut wurde – das Holz des Gehäuses ist noch naturfarben und wurde später bei der Renovierung 1960 in der Farbe der Kirchenbänke gestrichen. Der Altar von 1883 wurde nicht verändert.

14 Innenraum der Kirche. Zustand um 1959 (mit Beginn der Renovierung der Kanzel)

Kirchenmaler Bußmann aus Levern übertrug man die gesamte Neu-Ausmalung der St.-Andreas-Kirche: Die romanischen Gurtbögen oberhalb der Säulensimse schmückte nun eine Fries, das Gewölbe des Chorraums ein Dekor und seine Wände unterhalb des neugotischen Fensters von 1883 ein umlaufendes Fresko. Die Kanzel wurde farblich neu gefasst mit braun als Grundfarbe, rot, grün und golden für die Ornamente. Ob der Altar ebenfalls farblich überarbeitet wurde, lässt sich an den Schwarz-Weiß-Fotografien nicht klären. Die Kirchenbänke in brauner Farbe, die Orgelempore in braun-grün-rot, die Orgel in braun mit wenigen grünen und roten Verzierungslinien – im Innenraum wurde das Braun zur dominierenden Farbe, ein Eindruck, den auch die braunen Steine der Säulen und Gurtbögen verstärkten. Die Orgelempore zeigt in der Mitte („Kantorenkanzel“) ein Relief: St. Andreas mit dem Lübbecker Stadtwappen und der Jahreszahl 1561. Es ist möglich, dass das Relief bei der Renovierung 1927 in die Orgelempore eingefügt wurde und aus altem Ratsgestühl der Priechen stammt, die zur gleichen Zeit entfernt wurden.

15 Altarraum nach der Renovierung 1927. Zustand um 1959.

Die stilistische Einordnung der Ausmalung von 1927 fällt schwer: Man erkennt romantische Dekors im Gewölbe des Chorraums, Elemente des Historismus in den Gurtbögen und in der Farbgebung und Gestaltung der Wände des Chorraums auch Elemente einer neo-gotischen Tapisserie vermischt mit Erinnerungen an den Jugendstil.

Bei aller Kritik an der Renovierung von 1927 muss man anerkennen, dass diese Renovierung offenbar von dem Gedanken geleitet war, die Architektur der St.-Andreas-Kirche wieder „freizulegen“ bzw. dem Besucher das Erlebnis eines gegliederten Innenraums zu vermitteln. Im Prinzip wurde dieser Gedanke bei der Renovierung 1959-1961, begleitet vom Landesamt für Denkmalpflege in Münster, weiter verfolgt, jedoch nun mit neueren Erkenntnissen über romanische und gotische Baukultur in Westfalen.

Die Renovierung um 1960

Leitgedanke der Restaurierung 1959-1961, die wiederum der St.-Andreas-Kirche innen eine ganz andere Wirkung verlieh, war die Rückführung der einzelnen Bauabschnitte und des Inventars der Kirche möglichst auf den Originalzustand der Entstehung. Dazu waren umfangreiche Untersuchungen notwendig, die vor allem die Farbgestaltung betrafen. Grabungen wurden nicht durchgeführt. Die Neugestaltung des Chorraums wurde von Prof. Rickert (Bielefeld) geplant, die Ausmalung der Kirche sowie die Sicherung und Restaurierung der Kanzel in der ursprünglichen Farbfassung von 1666 war den Kirchenmalern Bußmann und Peter (Levern) anvertraut, die Künstlerin Hilde Ferber übernahm die Gestaltung und Verglasung der romanischen Fenster.

16 Altarraum nach der Renovierung um 1960. Fotografie 1962.

Das neugotische Fenster im Chorraum wurde geschlossen, um den romanischen Zustand von ca. 1180 wieder herzustellen. Der Chorraum erhielt einen Boden aus Wesersandstein, ein Material, das auch früher zur Dachabdeckung der Kirche verwendet worden war. Durch Absenkung des Daches von Sakristei und Taufkammer und Öffnung der vermauerten Fenster konnte der Lichteinfall der romanischen Fenster im Chorraum wieder voll zur Wirkung kommen. Zugleich wurden die originalen Fresken aus dieser Bauzeit wieder freigelegt – vermutlich war auf der 1883 veränderten Ostwand die Kreuzigung dargestellt. Bei der Restaurierung gingen die Restauratoren durch drei Bemalungsschichten aus verschiedenen Zeiten direkt auf die Bemalung von ca. 1180 zurück. Reste originaler Bemalung an den romanischen Fenstern gaben weiteren Aufschluss zur Rekonstruktion. Ein schlichter Altar, nach romanischem Vorbild aus Anröchter Dolomit neu angefertigt und darüber das alte romanische Triumphkreuz trugen mit zur Wiederherstellung eines romanischen Chorraumes bei. Später erhielt der Altar noch ein aus Holz geschnitztes, ursprünglich farbiges Altarblatt, das vermutlich Teil des St.-Andreas-Altars von 1646 war und von einem westfälischen Künstler geschaffen wurde, denn auf dem Tisch stehen eine Schüssel mit Grünkernsuppe und eine Platte mit Spanferkel.

Die Kirchenbänke wurden grün gestrichen und die Vierung von Bänken befreit: Sie erhielt eine flexible Bestuhlung sowie einen Taufstein über der Stelle, wo man 1926 das Erwachsenen-Taufbecken der Krypta gefunden hatte – den romanischen Taufstein entdeckte Kantor Klinker in einem Pfarrgarten in Schnathorst. Der Taufstein Schinkels fand eine neue Aufstellung im unteren Gewölbe des Kirchturmes; an den Wänden des Gewölbes brachte man nach Abschluss der Renovierung auch restaurierte Bildnisse des Konglomerat-Altars von 1883 an. Bei der Untersuchung der Wände legten die Fachleute auch Nischen frei: früher wohl Sakramentshäuschen der alten Altäre, in denen Abendmahlsgeräte – Kelch, Schale, Wein und Oblaten – aufbewahrt wurden. Die Nische rechts in der Ostwand des Chorraums erhielt ein verglastes Gitter und wurde ab 1962 wieder zur Aufbewahrung der alten Lübbecker Abendmahlsgeräte genutzt.

Der Fund eines kleinen Stückes des Originalputzes von ca. 1180 an der Westwand hinter der Orgel, der als Beweisstück für die Rekonstruktion des originalen Putzes dort noch vorhanden ist, gab Aufschluss über die ursprüngliche Gestaltung der Wände und Säulen. Die Steine auf den Säulen und Bögen waren im 12. Jahrhundert aufgemalt, wie es in der Romanik häufig Praxis war. 1925 wollte man – wie man dachte – die originalen Steine wieder sichtbar machen und kratzte dazu den Putz mit Hacken von den Wänden. Dabei hat man aus Unkenntnis viele originale Fresken stark beschädigt oder sogar zerstört. Man fand aber an den Säulen nur eher rohe, unregelmäßige Steine, die mit Werkzeugen riffelartig bearbeitet waren: Um 1200 bekleidete man Wände und Säulen mit einem Putz aus Kalk, Lehm und dies alles vermischt mit Tierhaaren, damit er mittels der Riffelungen hielt; „Steine“ wurden im 12. Jahrhundert aufgemalt. Nach der Enttäuschung putzte man dann um 1925 Säulen und Bögen mit einem Betonputz mit zugefügtem Sandsteinmehl, um sie wieder zu glätten, und modellierte die „Steine“ in den Putz. Dieser Putz wurde 1960 belassen, hellgrau gestrichen und die „Steine“ entsprechend dem Fundstück aufgemalt, um den Eindruck des originalen romanischen Raumes wieder herzustellen.

Im Rahmen der Renovierung wurde auch die Originalgestalt der Cord-Krüger-Orgel ermittelt und eine alte Farbgebung des Orgelgehäuses freigelegt. Zusammen mit einem Orgelneubau durch die Firma Gustav Steinmann in Vlotho-Wehrendorf erhielt auch das Orgelgehäuse seine ursprüngliche Gestalt. Darüber wird im Kapitel zur Geschichte der Orgeln der St.-Andreas-Kirche ausführlich berichtet.

Durch die alte Heizung, die über einen Schacht im Südschiff neben Warmluft leider auch viel Staub in die Kirche blies, sowie durch andere Einflüsse auf das Mauerwerk der Kirche waren 1988 bereits weitere Renovierungs- und Konservierungsmaßnahmen nötig geworden, die die Statik der Kirche verbesserten und eine sorgfältige Reinigung der Fresken, Bilder und Skulpturen sowie einen Neuanstrich der Gewölbe- und Wandflächen umfassten. Die Arbeiten führten die Kirchenmaler Wilhelm Becker und Wilhelm Hegerfeld (Stemwede) aus. Gleichzeitig wurden sechs neue Leuchter aufgehängt, die die Firma Paul Oehlmann (Bielefeld) anfertigte. Der Stand der Restaurierung von 1959-1961 wurde dadurch jedoch nicht verändert.

Kleine Orgelbaukunde

Prof. Dr. Karl-Jürgen Kemmelmeyer hat uns zur Geschichte der Kirche und ihrer Orgeln in der der St.-Andreas-Kirche Lübbecke einen längeren Forschungsbeitrag verfasst. Die originale Fassung (Stand Juni 2018), die alle Quellen- und Bildnachweise sowie viele Bilder und Erläuterungen zu Orgeln enthält, finden Sie hier als Pdf-Datei. Vielleicht ist dieser Beitrag auch für Sie eine Anregung, das Orgelbaumuseum in Borgentreich einmal zu besuchen und einige der im Beitrag genannten Orgeln zu sehen und zu hören.

Einen Auszug aus dem Forschungsbeitrag finden Sie nachfolgend. Die kleine Orgelbaukunde erläutert Grundlagen und die Entwicklungen der Technologie beim Bau der „Königin der Instrumente“. Sie bezieht sich auch auf die Orgeln der St.-Andreas-Kirche. (Alle Bild- und Quellenangaben im Hauptbeitrag.)

Kleine Orgelbaukunde

Norddeutschland – Land der Tastenvirtuosität und der Orgeln

Die Entwicklung der Virtuosität auf Tasteninstrumenten steht in enger Verbindung mit dem technischen Fortschritt im Instrumentenbau. Dabei spielen England, die Niederlande und besonders Norddeutschland bei Tasteninstrumenten eine wichtige Rolle.

Der ständige Wechselbezug zwischen Musikerfindung (Komposition, Spieltechnik) und technischem Fortschritt im Instrumentenbau wirkt sich im Orgelbau ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert und besonders im 17. Jahrhunderts aus, in dem es in Norddeutschland und in Westfalen trotz Krieg nicht nur einen „Orgelbau-Boom“ mit großen technischem Fortschritten und neuer Vielseitigkeit der Register-Klangfarben gab, sondern in dem sich auch die Städte mit immer größeren Orgelwerken zu übertrumpfen suchten, da nun Orgelvirtuosen dank Sweelinck und seiner Schüler und Enkel-Schüler tätig wurden, die mit diesen Wunderwerken nie gehörte Musikerlebnisse vermitteln konnten. Der in Amsterdam lebende Komponist, Orgel- und Cembalo-Virtuose Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621) hatte mit seinen Ricercaren, Toccaten und Fantasien einen virtuosen Stil des Orgelspiels mit neuer Spieltechnik entwickelt, der nun auch den Füßen der Organisten Beweglichkeit abverlangte. Sweelinck war so berühmt, dass die Ratsherren größerer Städte ihre jungen Organisten nach Amsterdam zum Studium entsandten, um nach deren Rückkehr auch etwas von dieser Kunst hören zu können. Die Schüler entwickelten Sweelincks Stil und Spieltechnik weiter und wurden zu prägenden Gestaltern des norddeutschen Musiklebens, insbesondere der Kirchenmusik. Johann Sebastian Bach (1685-1750) kam später zum Studium nach Norddeutschland, um bei der nachfolgenden Generation der Organisten in Lüneburg, Hamburg und Lübeck zu lernen. Er brachte den „norddeutschen Stil“ in der Orgelmusik zu einem neuen virtuosen Höhepunkt.

Besonders einflussreich in dieser Entwicklung waren die protestantischen Kirchen, die der Orgelmusik in der Gottesdienstgestaltung eine eigenständige, kunstvolle Verkündigungsaufgabe einräumten: choralgebundene Vorspiele, Choralfantasien, Präludien und Fugen als Vor- und Nachspiele. Die evangelische Kirchenmusik verselbständige sich später in der gesellschaftlich bedeutenden Veranstaltungsform des Geistlichen Konzerts, deren Höhepunkt die ab 1673 als „Abendmusik“ bezeichneten Konzerte an St. Marien in Lübeck waren. Dieterich Buxtehude (1637-1707), Bachs Vorbild, setzte hierbei Orgel, Chor und Orchester ein und spielte selbst seine virtuosen Orgelwerke.

Da Orgeln immer ein Produkt der Hochtechnologie waren – mechanisch im Barockzeitalter, pneumatisch im 19. Jahrhundert, elektrisch im 20. Jahrhundert und elektronisch im 21. Jahrhundert – kam es zu vielen Neubauten und zur Vernichtung älterer Orgelwerke, von denen nur die Prospekte, die Gehäuse überdauerten, wenn sie als besonders kunstvoll, ästhetisch gelungen und wertvoll empfunden wurden. Das war z. B. in Celle und 1904 in Lübbecke der Fall, wobei in Lübbecke sicherlich die brandenburgisch-preußischen Adler am Orgelgehäuse mit zur Erhaltung beigetragen haben, denn Lübbecke war seit Ende des Dreißigjährigen Krieges preußisch und protestantisch geprägt.

Technologie-Transfer

Der Orgelbauer Cord Krüger (Kröger) aus Minden, mit dem die Stadt Lübbecke 1628 einen Kontrakt zum Bau einer zweimanualigen Orgel mit Pedal von 21 Registern schloss und deren Gehäuse in der St.-Andreas-Kirche erhalten ist, hatte vermutlich bei der aus den Niederlanden stammenden Orgelbauerfamilie Bader sein Handwerk gelernt. Er baute ab 1634 später in Oldenburg St. Lamberti die damals größte Orgel im norddeutschen Küstenraum, die leider nicht erhalten ist. Es war ein Instrument, das erst durch die Orgelgroßbauten von Arp Schnitger in Hamburg übertroffen wurde. Erst vor kurzer Zeit wurde entdeckt, welch bedeutende Rolle Cord Krüger, über den heute kaum etwas bekannt ist, in der Entwicklung des norddeutschen Orgelbaus einnahm. Orgelbauwissen wurde vom Meister an seine Gesellen weitergegeben; der Meistergeselle nahm in der Regel die Intonation der Pfeifen vor und vertrat den „Chef“ auswärts beim Aufbau der Orgeln und Beaufsichtigen der Gesellen. Von Cord Krüger führt eine direkte Verbindung im Technologie-Transfer zu Arp Schnitger, dem damals wie heute berühmtesten norddeutschen Orgelbauer, der mit seinen Instrumenten das Vorbild für die „Orgelbewegung“ im 20. Jh. gab, die die barocken Orgeln wieder zum Vorbild erkor.

Cord und Hermann Krüger (Kröger) hatten bereits versucht, bei ihren Dispositionen ein selbständiges Pedal und die Eigenständigkeit der Werke (Manuale, Pedal) zu verwirklichen: pro Werk möglichst Prinzipalchor gegenüber Flötenchor als Klangfarbengruppen zu disponieren, eine Aufhellung beim Manualwechsel von Hauptwerk über Rückpositiv hin zum Brustwerk zu erreichen und zusätzlich Aliquoten und Zungenregister für das Trio-Spiel bereitzustellen. Diese Konzeption finden wir in den großen Orgeln Schnitgers in Perfektion realisiert. Technologietransfer in Norddeutschland – die Genealogie (mit Angabe einiger noch erhaltener Orgeln):

  • Cord Kröger (um 1600-1641?) – sein Meistergeselle: Hermann Kröger (Lübbecke St. Andreas, um 1635, Prospekt erhalten)
  • Hermann Kröger (um ? -671) – sein Meistergeselle: Berendt Hus (u. a. Berne St. Aegidius, 1642, Prospekt und einige Pfeifen erhalten; Langwarden/Butjadingen St. Laurentius, II P 21, 1650, fast original erhalten; Celle Stadtkirche St. Marien 1653, Prospekt und Prospektpfeifen erhalten)
  • Berendt Hus (um 1630-1676) – sein Meistergeselle: Arp Schnitger (u.a. Stade St. Cosmae & Damiani, III P 42, 1688, sehr guter Erhaltungszustand)
  • Arp Schnitger (1648-1719) – (u. a. Hamburg St. Jakobi, IV P 60, 1693)

A  Das Pfeifenwerk

Im Orgelbau kennt man zwei Pfeifentypen: die Lippenpfeifen (Labiale, Abb. 1) und die Zungenpfeifen (Linguale, Abb. 2). Wie bei allen mechanisch akustischen Instrumenten geht es hierbei um den Generator, d. h. den Schwingungserzeuger, und den Resonator, d. h. die Klangverstärkung, die Einfluss auf die Teiltonanteile im Klang einer Pfeife hat.

Bei Labial-Pfeifen besteht der Generator aus einem Luftblatt, das im Fuß der Pfeife mittels Kernspalte und Unterlabium gebildet wird und auf eine Kante, das Oberlabium, trifft. Das Luftblatt wird abgelenkt und schwingt in den Pfeifenkörper (Resonator) hinein: dadurch entsteht in der Pfeife ein Überdruck, der das Luftblatt wieder nach außen stößt; entsprechend entsteht nun ein Unterdruck in der Pfeife, der das Luftblatt wieder nach innen zieht.

Es ist die Kunst des Intonateurs, Kernspalte und Oberlabium in die rechte Position zu bringen, damit dieser Schwingungsvorgang ungestört abläuft. Die Tonhöhe ist abhängig von der Länge des Pfeifenkörpers ab Kernspalte, auch das Verhältnis von Länge zur Breite (Mensur) spielt ebenso eine Rolle wie auch, ob die Pfeife oben geschlossen (gedackt) oder mit einem kleinen Röhrchen (halbgedackt) versehen ist: So klingt eine gedackte Pfeife von 8‘ Länge wie eine offene von 16‘ Länge, d. h. eine Oktave tiefer. Einfluss auf die Klangfarbe haben das Verhältnis von Länge und Breite des Pfeifenkörpers und die Form bzw. Bauart des Pfeifenköpers (Abb. 3), aber auch das Material selbst. Gold wäre ideal, weil es schwingungsarm ist. Reines Blei als dickes Blech für den Pfeifenkörper war billiger als Gold, hatte jedoch ähnliche Eigenschaften und ließ sich gut formen; die Pfeifen – besonders die schweren 16‘-Prinzipale – wurden jedoch durch die Bleioxydation der Jahrhunderte allmählich standschwach, sodass die Orgelbauer Blei mit Zinn zu einer Legierung verbanden, die härter war. Cord Kröger verwendete 1628 für die Pfeifen der Lübbecker Orgel dickwandige Blei-Bleche. Immerhin funktionierte diese Orgel bis um 1900. Abb. 1 zeigt den Bau einer Rohrflöte.

Bei Lingual-Pfeifen (Zungen-Pfeifen, Abb. 2) ist der Generator so gebaut, dass der Luftstrom ähnlich wie bei den Stimmlippen im menschlichen Kehlkopf periodisch unterbrochen wird: Im Pfeifenfuß befindet sich die Kehle, ein seitlich geöffnetes Rohr (oft aus Messing), auf dem eine leicht an einem Ende aufgebogene, dünne und schmale Feder (meist aus Messing) aufliegt. Sie ist mit einem kleinen Keil befestigt. Dringt der Luftstrom in den Pfeifenfuß ein, so entweicht er durch die Kehle in den Becher: dabei reißt er die Feder auf die Kehle, sodass der Luftstrom unterbrochen wird. Durch die Spannung (wegen der leichten Biegung) bewegt sich die die Feder wieder zurück und gibt erneut den Luftstrom frei, sodass alles wieder von vorn beginnt. Gestimmt werden diese Pfeifen mit der Stimmkrücke, mit der man die Länge der Feder verändern kann. Als Resonator treten die Becher in Funktion: Die Form der Becher ist sehr vielseitig (Abb. 3) und bestimmt wesentlich den Klang.

Auf Abb. 3 sind auch die Partialtöne und ihre Fuß-Bezeichnungen (d. h. in etwa die Länge der offenen Prinzipal-Pfeife) angegeben: ein Fuß = ca. 30 cm. Beim tiefsten Ton C eines Prinzipal 32‘ ergibt sich also eine Pfeifenlänge von ca. 9,60 Metern. Die Partialtöne können wir als ein Naturgesetz ansehen, sie sind in jedem Pfeifenklang (Klangspektrum) gegenwärtig, aber pro Partialton unterschiedlich in ihrer Lautstärke, was aus der Pfeifenbauart resultiert. Jedes Register (= Pfeifen gleicher Bauart) hat so seine eigene Klangfarbe. Man kann aber auch die Partialtonreihe künstlich durch Pfeifen „nachbauen“, für jeden Partialton eine eigene Pfeife – und genau das ist das Prinzip der Orgel.

Die individuelle Kunst der Orgelbauer bestand darin, angepasst auf die Raumakustik Pfeifen bzw. Register mit variablen Mensuren (Abb. 4) zu bauen, den Klang per Intonation am Labium zu bestimmen und die Lautstärke jeder Pfeife so anzupassen, dass keine in der Pfeifenreihe des Registers „vorlaut“ wird.

B Das Regierwerk

Der Sammelbegriff bezeichnet alle technischen Vorrichtungen, die dazu dienen, dass die Pfeifen zum Klingen gebracht werden. Dazu gehören am Spieltisch (Abb. 5-6) für die Töne Manual- und Pedaltasten, für die Register (Pfeifenreihen) die einzelnen Registerzüge, für die einzelnen Werke in der Orgel (z. B. Hauptwerk, Rückpositiv, Schwellwerk, Brustwerk, Pedal) die Manuale und die Pe-dalklaviatur. Weiterhin gibt es noch die Koppeln, mit denen die Tasten eines Manuals oder der Pe-dalklaviatur mit denen eines anderen Manuals verbunden werden können, d. h. spielt man eine Taste, so wird die gleiche auf dem angekoppelten Manual mitgespielt. Das Schwellpedal des Spieltisches öffnet im Schwellkasten, in dem die Pfeifen des Schwellwerks stehen, Jalousien, sodass der Klang ohne Klangfarbenänderung lauter oder leiser wird. Dann gibt es noch die Crescendo-Walze, mit der man mit dem Fuß die Register vom piano bis zum forte fortissimo nacheinander einschalten kann. Andere Knöpfe, die Setzer-Kombinationen, helfen dabei, die Registerkombinationen zu speichern und mit einem Knopfdruck wieder abzurufen.

Die Verbindung all dieser Tasten, Züge, Pedale, Schalter etc. zur Lade erfolgt je nach Bauweise rein mechanisch, pneumatisch, elektrisch oder per MIDI (Musical Instrument Digital Interface), also mit Computertechnologie. Das Wissen jeder technischen Epoche fand auch im Orgelbau seine Anwendung. Heute baut man gern wegen des guten Spielgefühls eine mechanische Traktur (= Verbindung zwischen Taste und Tonventil) – Organisten lieben „den direkten Draht zum Tonventil“ – und wegen der bequemen Speicherung der Registerkombinationen und ihrer schnellen Abrufbarkeit elektromechanische Registersteuerung mit digitaler Speicherungstechnik.

Jedes Werk (Hauptwerk, Brustwerk, Pedal etc.) hat seine Lade: Auf ihr stehen die Pfeifen (Abb. 7 und 9). Die Orgelbauer verwendeten dazu verschiedene Bautechniken – in den Lübbecker Orgeln kamen die mechanische Springlade (Abb. 10-12), die mechanische Schleiflade (Abb. 13-15) und die pneumatische Registerkanzellen-Lade (Abb. 19-20) zum Einsatz. Bei mechanischem Regierwerk stellen Tasten-Hebel, achsgelagerte Winkel, Abstrakten (Zugleisten) und das Wellenbrett (Abb. 7) die Verbindung zum Tonventil her. Registerzüge bestehen aus Stangen, Wippen („Schwertern“) und Hebeln zum Einschalten der Register.

Springladen- und Schleifladen-Orgeln besitzen eine mit Winddruck gefüllte Windkammer, ein unter der Lade verlaufender Kanal, an dessen Decke sich für jeden Ton des zugehörigen Manuals oder Pedals Ventile befinden (Abb. 8): Es sind Klappen, die durch die Abstrakten aufgezogen werden – drückt man z. B. auf dem Manual den „Ton d“, so zieht die Abstrakte in der Windkammer das Ventil „Ton d“ auf, und der Wind strömt in die Tonkanzelle des „Ton d“. Jeder Ton des Manuals oder Pedals hat seine eigene Tonkanzelle: auf ihr stehen pro Ton zugeordnet alle auf der Lade aufgestellten Register, deren Pfeifen ein Pfeifenstock aufrecht hält.

Nun würde ja, wenn der „Ton d“ gedrückt wird, bei allen Registern dieser Lade zugleich der „Ton d“ ertönen – und das ist ja nicht beabsichtigt, denn man will ja jedes Register auch einzeln nutzen können. So kommen nun die Begriffe Springlade und Schleiflade ins Spiel, denn diese Systeme helfen dabei, dass jedes Register einzeln eingeschaltet werden kann.

Springlade

Die mechanische Springlade (Abb. 10-12) gehört mit zu den ältesten noch erhaltenen Bauweisen der Windladen. Damals konnte man noch nicht so präzise Holz bearbeiten wie wir heute mit modernen Säge- und Fräsmaschinen, die auf den Millimeter genau fertigen können. Und: Ein Problem waren Undichtigkeiten in der Lade, die durch Temperatureinwirkungen entstanden – der „falsche Wind“ schlich sich dann in Pfeifen, die leise heulten. Um das zu vermeiden entwickelte man das mit viel Aufwand zu bauende Springladen-System: Für jede Taste gab es in der Lade den zugehörigen Springer-Klotz (Abb. 11). Er war herausziehbar, durch Leder gedichtet und enthielt unter der zugehörigen Pfeife ein Klappen-Ventil. Zog man mit dem Registerknopf die Stecher-Leiste, auch Register-Leiste genannt, herunter (dazu musste der Registerknopf vom Organisten „eingehakt“ werden), so öffneten Stecher an der Stecher-Leiste die Ventile, und das Register war eingeschaltet. Wenn der Organist das Register wieder abschalten („abstoßen“) wollte, so musste er den Registerknopf nur hochdrücken, und die Spannung der Ventilfedern „schubste“ die Stecher-Leiste nach oben in die Null-Stellung, wobei sich auch der Registerknopf wie von Geisterhand wieder zurückzog. Dieses System verwendete Cord Krüger (Kröger) um 1635 in der Lübbecker Orgel – es war 1900 noch funktionsfähig in Betrieb.

Schleiflade

Die mechanische Schleiflade (Abb. 13-15) ist ebenfalls ein sehr altes System. Sie verdrängte bis Mitte des 18. Jahrhunderts die Springlade vollständig und ist heute zum Standard im Orgelbau geworden. Zunächst setzte man sie gern für das Brustwerk der Orgel ein, weil dort wenig Platz war – so auch in der Lübbecker Orgel von den Krögers um 1635 und später, beim Werkneubau durch Steinmann 1960 sogar für alle Werke: Hauptwerk. Brustwerk und Pedal. Bei der Schleifladen-Bauweise entfiel bei der Wartung das Herausziehen der Springer-Klötze, und gut gearbeitete mechanische Schleifladen sind praktisch wartungsfrei.

Das System hat seinen Namen von der Schleife, einem gelochten, verschiebbaren dünnen Brett, das quer zu den Tonkanzellen – also parallel mit der Windkammer – auf der gelochten oberen Seite der Lade aufliegt, sich zwischen Lade und Pfeifenstock befindet und genau unter allen Pfeifen eines Registers liegt. Wird mit dem Registerzug die Schleife so verschoben, dass der Wind aus der Tonkanzelle durch das Loch der Schleife in das Loch des Pfeifenstocks strömen kann, so erklingt der Ton des gewählten Registers. Da die Schleifen und ihre Umgebung früher durch Witterungseinflüsse auch schrumpften (Holz arbeitet!), gab es manchmal auch „falschen Wind“, wenn man eine Taste spielte. Um den „falschen Wind“ abzuleiten, schnitten die Orgelbauer in die Oberfläche der Lade kreuzweise Rillen, damit der „falsche Wind“ schnell nach außen und nicht in eine Pfeife gelangen konnte. Heute verwendet man sehr dünne Schleifen aus Hartholz oder modernen Werkstoffen, die von Teleskop-Hülsen, die passgenau auf den Löchern der Tonkanzelle aufgeleimt sind, nach oben an den Pfeifenstock gedrückt werden – es war das „Aus“ für den „falschen Wind“. Die Schleiflade war auch noch in anderer Hinsicht sehr praktisch: An die Schleife ließ sich ein elektromagnetisches Relais ankoppeln, das die Schleife bewegte. Im modernen Orgelbau lassen sich nun Register über die Elektrik ein- und ausschalten und auch speichern.

Im 19. Jahrhundert, in der Zeit der großen Sinfonie-Orchester und der aufkommenden Bedeutung der Klangfarbe in den Kompositionen, wollte auch der Orgelbau dieser Entwicklung folgen. Besondere Register wurden erfunden, die neue Klänge oder Klangmischen ermöglichten, die die Orgel nun in die Nähe des Sinfonie-Orchesters rückten – und dies als „Tastenorchester“, gespielt von zwei Händen und zwei Füßen! Die Orgeln wurden immer größer (Abb. 16-17), die Verbindung von der Taste zu der Lade immer länger, und durch die damit verbundene Schwergängigkeit war die gute alte mechanische Schleiflade so ziemlich am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen, die Springlade sowieso.

Die Manuale hatten noch mechanische Schleifladen, aber schon Barker-Hebel (Abb. 18) zur Erleichterung des Spiels, die Pedale mechanische Kegelladen. Die pneumatische Registertraktur ermöglichte Gruppierungen von pp – ff (feste Kombinationen) und zugleich ein Crescendo.

Französisch-symphonischer Orgel-Typus. Mechanische Schleiflade und mechanische Traktur mit Barker-Hebel. Zur Erleichterung der Registrierung gab es am Spieltisch verschiedene, aus der französischen Registrier-Praxis erarbeitete Registerzusammenstellungen, die mittels kleiner Pedale oberhalb der Pedalklaviatur abgerufen werden konnten. Auf der Abbildung oben sieht man die senkrechten Jalousien des Schwellwerks (hier geschlossen). Cavaillé-Coll und Ladegast standen in freundschaftlicher Verbindung. Der Erbauer der Lübbecker Orgel 1904, Ernst Klaßmeyer, hatte bei Ladegast den Orgelbau gelernt.

Pneumatik – Barker-Hebel und Registerkanzellen

Die Orgelbauer ersannen nun neue Laden- und pneumatische Spiel-Systeme, die den Winddruck nutzten. Nun wurde zwischen Pfeifen-Wind (wie früher) und Arbeitswind (für die Pneumatik) unterschieden. Anstelle von Abstrakten stellte nun ein Bündel von dünnen Bleiröhrchen die Verbindung zwischen Taste bzw. Registerzug zur Lade her; die Spieltische waren nun die Schaltzentrale für die richtige Verteilung des Arbeitswind-Flusses. Ähnlich wie beim Barker-Hebel (Abb. 18) wurde der Spiel-Wind-Druck in den Röhrchen durch kleine Bälge in mechanische Bewegung umgesetzt, z.B. zum Öffnen oder Schließen von Ventilen in der Lade.

Ähnlich wie die Servo-Steuerung bei der Lenkung im Auto half hier der Winddruck beim Ziehen der Abstrakten. Wenn die Abstrakte (links) von der Taste aus gezogen wurde, so öffnete sie ein Ventil, das Luft in einen Balg ließ, der sich sofort aufblähte und die Abstrakte (rechts) zog. Ließ man die Taste los, fiel der Balg sofort in sich zusammen.

Für das Bewegen von Schleifen war der Arbeitswind-Druck zu schwach. Darum musste ein neues Laden-System erfunden werden. In die Lübbecker Orgel baute Klaßmeier 1904 die pneumatische Kegellade mit Register-Kanzellen ein, ein System, das zwar mehr Platz als die Schleiflade benötigte, aber damals sehr modern war, weil es ein schnelles Registrieren und eine leichte Spielbarkeit (geringer Tastendruck) ermöglichte. Die Tonkanzelle entfällt: Die Ventile sitzen nun in der mit Winddruck gefüllten Registerkanzelle direkt unter den Pfeifen. Darum hört man auch beim Drücken nur einer Taste das „Klackern“ der vielen Ventile, selbst wenn kein Register eingeschaltet ist.

Da bei Kegelladenbauweise mit vielen Registern pro Manual oder Pedal jede Taste so viele Ventile öffnen muss wie die Anzahl der Register auf der Lade (daher auch das „Klackern“!), blieb der Tastendruck zwar leicht, aber es ergaben sich Verzögerungen zwischen dem Anschlag der Taste und dem tatsächlichen Ansprechen bzw. Erklingen der Pfeifen. Gegenüber der mechanischen Traktur, bei der Organisten vom Finger aus das Öffnen des Tonventils „im Griff haben“, wirkten die pneumatisch gesteuerten Orgeln indirekt, verlangsamt und weniger geeignet für eine „luftige“ Artikulation des Spiels. Das war auch bei der von Klaßmeier 1904 in Lübbecke gebauten Orgel der Fall. Die Orgelkompositionen der Romantik im 19. Jh. legten Wert auf den Reiz vieler Klangfarben – u. a. langsame Akkordfolgen, flächige Figuren, Auf- und Abschwellen des Gesamtklanges mittels Schwellwerk und Crescendo-Walze sowie schnelle Wechsel von Registerkombinationen. Ein strenges Legato-Spiel war dabei Grundlage. Dafür waren die pneumatischen Orgeln gut geeignet.

Viele Orgelbauer tüftelten an einer Verbesserung, und es gab verschiedene Systeme, um die Zeitverzögerung zu vermeiden. Eines davon war die Elektrifizierung: die Taste löste einen elektrischen Impuls aus, der einen Magneten ansprach und der dann das Ventil in der Kegellade aufzog. Die Verzögerung war nun weitgehend verschwunden, aber das ruckartige Öffnen des Tonventils durch den Magneten ließ immer noch nicht die gewünschte feine Artikulation im Spiel zu.

So besannen sich die Orgelbauer ab der zweiten Hälfte des 20. Jh. wieder auf die mechanische Schleiflade aus der Barockzeit, deren Mechanik sie nun mit verfeinerten Methoden der Materialwahl und nie vorher dagewesener präziser Fertigungstechnik perfektionierten. Die Fortschritte der Elektrifizierung nutzten sie weiter für die Registersteuerung und digitale Speicherung, die schnelle Registerwechsel möglich machen. Selbst große Dom-Orgeln mit vier Manualen lassen sich heute leicht und mit lebendiger Artikulation spielen.

C Das Windwerk

„Das erste, was er [J. S. Bach] bey einer Orgelprobe that, war dieses: Er sagte zum Spaß, vor allen Dingen muß ich wißen, ob die Orgel eine gute Lunge hat, um dieses zu erforschen, zog er alles Klingende an, u. spielte so vollstimmig, als möglich. Hier wurden die Orgelbauer oft für Schrecken ganz blaß.“ [C. P. E. Bach: Brief aus dem Jahr 1774 an J. N. Forkel in Göttingen als Nachtrag zum Nekrolog zu J. S. Bach in L. Mizlers Musikalischer Bibliothek. Leipzig 1754]

Johann Sebastian Bach (1685-1750) galt nicht nur als ein virtuoser Organist, sondern auch als ein gefragter und von den Orgelbauern gefürchteter Experte in Orgelfragen. Das Zitat verdeutlicht, wo-rauf es beim Windwerk ankommt: genügend Luftvolumen und gleichmäßigen Winddruck, auch wenn viele Pfeifen erklingen. Früher hatten alte Orgeln damit oft ihre Probleme, denn sie waren „windstößig“, d. h. der Luftdruck nahm bei vollgriffigen Akkorden mit vielen Registern kurzfristig ab, was sich als ein Absinken der Tonhöhe („heulen“) unangenehm bemerkbar machte. Bis zur Einführung des elektrischen Schleuder- oder Radialgebläses um 1900 war es eine schweißtreibende Arbeit, wenn die Orgel erklingen sollte, und das Üben an der Orgel war für die Organisten auch eher selten möglich. Sie mussten sich z. B. mit einem Pedal-Cembalo zuhause begnügen – und: vermutlich haben sie nicht so virtuos und perfekt gespielt, wie wir das heute von perfektionierte Tonaufnahmen und virtuosen Organistinnen und Organisten gewohnt sind, die ein kirchenmusikalische Studium absolviert haben. .

(Überlieferung durch Michael Praetorius: De Organographia. Wolfenbüttel 1619). Die Bälgetreter nannte man Kalkanten. Ein Zug an der Orgel löste ein Glöckchen aus, dann hieß es „Treten, treten, treten …!

Zum Messen des Windrucks erfand der Orgelbauer Christian Förner (1609-1678) um 1660 die Windwaage (Abb. 22). Der Winddruck wird in Millimeter Wassersäule gemessen.

Musste beim Schöpfbalg (Weg des Windes blau), von denen es mindestens 2-4, aber auch bis zu 10 je nach Größe der Orgel gab, noch sehr gefühlvoll getreten und sorgfältig beobachtet werden, dass die obere Platte des mit Steinen beschwerten Magazinbalg nicht zu tief absank, so bot der Weg des Windes vom elektrischen Gebläse bis zur Windkammer (Weg des Windes schwarz) nun große Vorteile: Wenn bei vollgriffigen Akkorden und vielen gezogenen Registern plötzlich viel Wind benötigt wurde, glich der Schwimmerplattenbalg dies zunächst aus, und zugleich öffnete sich der Schieber, um mehr Wind in den Magazinbalg zu lassen – ein sich selbst regelndes System.

Der Tremulant ist eine Vorrichtung, der den Orgelton ähnlich dem Vibrato einer Menschenstimme schwingen lässt. Gegenüber früher, wo ein Stecherventil an der oberen Platte des Magazinbalges stoßweise Luft aus dem Magazinbalg entließ (und damit die obere Platte zum Schwingen brachte), arbeitet das moderne System so schnell und druckkonstant, dass die Orgelbauer eine neue Lösung für einen wirksamen Tremulanten bauen mussten: Ein sogenannter „Wagnerscher Hammer“ (wie bei der alten elektrischen Haustürklingel), ein elektrischer Magnet, wird an der Schwimmerplatte des Balges unter der Windkammer angebracht und zieht die Platte (Strom fließt) an oder lässt sie los (Strom aus), wenn der Tremulant eingeschaltet wird – die Platte schwingt. Mittels eines regelbaren elektrischen Widerstandes lässt sich heute sogar die Frequenz des Tremulanten regeln.

Ein Rückblick

Frühe kleine Orgeln kennen wir schon u.a. aus Pompeji, die vor 2000 Jahren in den weltlichen Amphitheatern gespielt wurden – auch Fan-Button in Form von Münzen, die den Organisten priesen, wurden gefunden. Am byzantinischen Kaiserhof spielte man bei hohen Zeremonien auch auf Orgeln. Byzantinische Gesandtschaften des Kaiserhofes brachten 757 für den fränkischen König Pippin den Jüngeren und 812 für den König und Kaiser Karl den Großen Orgeln als Staatsgeschenk mit. Angeblich bestanden die Pfeifen aus Gold (was ja auch das beste Pfeifenmaterial wegen seiner Dauerhaftigkeit und Eigenschwingungsarmut ist), und das unbekannte kostbare Instrument überließ man gelehrten Mönchen zur Erforschung und stellte es wegen seines Wertes erst einmal in die Kirche, wo es auch heute hauptsächlich ihren Platz hat. 826 ließ Kaiser Ludwig der Fromme bereits für Aachen eine Orgel bauen – es war wohl der Start für den Orgelbau in Westeuropa. Vom 9.-13. Jh. gab es in den großen Kathedralen Europas zunehmend mehr Orgeln, die auch bei der Kunst des Organum-Singens mit eingesetzt wurden. Konnte man früher wie in Halberstadt (Abb. 21) nur eine Pfeifenreihe solo (den Prinzipal) oder alle Pfeifenreihen zusammen (Blockwerk) spielen, so gab es bald mit Erfindung der Schleiflade und Springlade im 14.-15. Jh. ganz neue Möglichkeiten, die Farben einzelner Pfeifenreihen (Register) gezielt für den künstlerischen Ausdruck einzusetzen.

Es ist schon faszinierend, wie die Kunst des Orgelbaus in den Jahrhunderten ihren Fortschritt nahm und wie viele erfindungsreiche Handwerksmeister die Orgel zu dem kompliziertesten und größten Instrument entwickelten, das die Menschheit kennt.

Gutachten 2012

Dr. Tacke aus Bochum wurde 2012 beauftragt, den aktuellen Zustand unserer Orgel zu beurteilen. Im Folgenden können Sie sein Gutachten lesen: