2019 Ostfriesland

Norddeutsche Orgelbaukunst

Lübbecker und Espelkämper Orgelfreunde unterwegs im südlichen Ostfriesland

Mitte September machten sich 25 Orgelinteressierte des Lübbecker Kirch- und Orgelbauvereins sowie des Orgelfördervereins Espelkamp auf den Weg nach Ostfriesland, um Einblicke in die dortige Orgellandschaft zu erhalten. Vorbei an der Meyer Werft, wo ein in der Fertigstellung befindliches Kreuzfahrtschiff vom Bus aus bestaunt werden konnte, suchte die Gruppe zunächst das Organeum in Weener auf.

Organeum in Weener

Das im eklektizistischen Stil erbaute Gebäude ist schon eine Sehenswürdigkeit für sich. In der großbürgerlichen Stadtvilla vereinen sich mit viel Liebe zum Detail Elemente der englischen Neugotik mit Zitaten niederländischer und antiker Architektur. Heute beherbergt sie eine umfangreiche Sammlung historischer Kleinorgeln und Tasteninstrumente. Diese wurden von Museumsleiter Landeskirchenmusikdirektor Winfried Dahlke den Besuchern anschaulich erklärt und zum Klingen gebracht. So stellte er unter anderem eine von Ibe Peters Iben erbaute Kabinettorgel vor. Das mit antiken mythologischen Figuren geschmückte Instrument ist überwiegend original erhalten. Auch die „Orgel für das Klassenzimmer“ eines niederländischen Orgelbauers wurde demonstriert. Mit ihrem offenen Gehäuse dient sie dazu, orgelbauliche Prinzipien und Klangfarben zu veranschaulichen. Hierbei erfuhren die Exkursionsteilnehmer z.B. etwas über die Bauweise gedackter Pfeifen, bei denen die Abdeckung des Luftkanals dazu führt, dass sie tiefere Töne erzeugen können, als eigentlich von ihrer Länge her möglich wären. Neben den Prinzipalen verfügt das kleine Instrument über weitere Register, wie z.B. Streicher, Zungenregister, eine „Nachtigall“ und einen Zimbelstern.

In weiteren Räumen konnten die Besucher eine umfangreiche Sammlung von Tasteninstrumenten (Cembalo, Clavichord u.a.) bewundern. Diese wurden in früheren Zeiten nicht nur zur musikalischen Unterhaltung eines Publikums verwendet, sondern dienten Organisten auch zur heimischen Übung der Orgelwerke.

Besonders beeindruckt waren die Orgelfreunde von der „Baldachinorgel“. Das ausgestellte Stück ist der Nachbau einer Renaissanceorgel von 1559. Das an eine Basilika erinnernde, aufklappbare Gehäuse beherbergt auf engstem Raum sechs verschiedene Register und ist damit sowohl solistisch als auch als Begleitinstrument einsetzbar. Sie bietet, wie es Museumsleiter Dahlke formulierte, die Möglichkeit, „komplexe Musik auf einem genialen Instrument zu spielen“.

Nach der Vorstellung weiterer Instrumente des Organeums begab sich die Gruppe in die ev. reformierte Georgskirche in Weener. Hier erläuterte Winfried Dahlke die barocke Orgel. Sie stellt ein Spätwerk des berühmten norddeutschen Orgelbaumeisters Arp Schnitger dar und verfügt heute nach verschiedenen Umbauten und Restaurierungen über 29 Register. Dahlke verdeutlichte die Klangvielfalt des Instruments am Beispiel verschiedener barocker Kompositionen von Bach, Böhm und Buxtehude. Abschließend ließen die Musikfreunde aus dem Lübbecker Land gemeinsam Strophen des Chorals „Ich singe dir mit Herz und Mund“ zur Orgelbegleitung erklingen.

Orgel in Stapelmoor

Nach dem Mittagessen wurde mit der Kreuzkirche in Stapelmoor ein weiterer Standort einer besonderen Orgel angefahren. Hier erklärte Christoph Heuer vom Orgelförderverein Espelkamp das Instrument. Das Orgelgehäuse stammt aus dem Jahr 1848 und ist im klassizistischen Stil gehalten, das Orgelwerk wurde 1994 von den Orgelbaumeistern Immer (Norden), Klein (Leipzig) und Jaccard (Fahy-les-Autrey) eingebaut. Es entstand nach dem Vorbild der berühmten Cliquot-Orgel in der Stadtkirche von Houdan bei Versailles und entspricht somit stilistisch dem französischen Barock. Anders als in Deutschland, so berichtete Heuer, gab es in französischen Messen keine Präludien und keine Liedbegleitung. Die Organisten mussten ihr Können vielmehr durch das Spielen zwischen den einzelnen Abschnitten des Gottesdienstes unter Beweis stellen. Am Beispiel einer Orgelmesse von Francois Couperin machte Heuer dies für die Teilnehmer hörbar und verdeutlichte so die unterschiedlichen Register und Klangfarben der Orgel.

An ihren Heimatorten zurück bedankten sich die Orgelfreunde bei Christoph Heuer, dem Organisator der Tour. Nun sind alle schon gespannt, welche Orgeln 2020 angesteuert werden.

Ina Härtel