Auf Initiative unseres Kreiskirchenmusikdirektors Heinz-Hermann Grube wurde der Verein am 24. Juni 2013 gegründet.
Gründungsmitglieder und erster Vorstand des frisch gegründeten Orgelbauvereins (von links):
Friedrich Föst (2. Vorsitzender), Bernd Wittemöller, Andrea Weßling
(Kassiererin), Barbara Hunke (Kassenprüferin), Dr. Peter Groß (1.
Vorsitzender), Eyke Blöbaum (Schriftführer), Kantor Heinz-Hermann Grube,
Ina Härtel (Kassenprüferin), Dr. Barbara Föst
2019 wurde der Verein in Kirch- und Orgelbauverein erweitert.
Der Kirch- und Orgelbauverein ist nach Satzung in erster Linie ein Förderverein. Das bedeutet, er nimmt regelmäßig Mitgliedsbeiträge ein und sammelt Spenden zur Förderung seiner Zwecke, insbesondere der Sanierung der Kirche an St. Andreas und des geplanten Neubaus einer Orgel in St. Andreas. Die Spenden stammen überwiegend von Privatleuten aber auch von Firmen und Institutionen. Einen bedeutenden Teil machen inzwischen Spenden, zu denen aus bestimmten persönlichen Anlässen, wie Taufen, Ehejubiläen, Geburtstagen und Trauerfällen aufgerufen wird, aus. Vereinsaktivitäten wie Benefizkonzerte und der Ausschank von „Orgelwein“ zu verschiedenen Anlässen tragen ebenfalls zum Spendenaufkommen bei. Von Spendern ausgesprochene Zweckbestimmungen (z.B.: „für die Orgel“) werden bei der Mittelverwendung beachtet.
Weiterhin fördert er das Interesse an der Kirche St. Andreas, kirchlicher Kunst und Kultur, insbesondere der Orgelmusik. Er versteht sich im Verhältnis zur Kirchengemeinde auch als flexibel agierende Stelle für Beratung und Unterstützung.
Prof. Dr. Karl-Jürgen Kemmelmeyer hat uns die Geschichte der Lübbecker St.-Andreas-Kirche sehr ausführlich und interessant verfasst. Eine gekürzte Version können Sie hier nachlesen. Die originale Fassung (Stand Juni 2018), die alle Quellenangaben und auch die Geschichte der Orgel und die politischen Zustände zur Zeit ihrer Entstehung enthält, finden Sie hier als Pdf-Datei.
Zur Geschichte
der Lübbecker St.-Andreas-Kirche (Stand Juni 2018)
Der heutige Standort der St.-Andreas-Kirche war schon in früheren
Zeiten ein Ort der Anbetung Gottes und von großer Bedeutung für das
Lübbecker Land. Lübbecke gehörte zur Sachsenmission des Klosters Fulda. Erkanbert,
der 1. Mindener Bischof, war Mönch des Klosters Fulda. Bei Grabungen in
den 1950er Jahren ist man auf Überreste einer möglichen Kapelle aus
Feldsteinen gestoßen – die Reste wurden in einer Tiefe von 80 cm unter
der Kapitelstraße (damals vor dem Schäferschen Hause) gefunden. Da
Lübbecke im Missionsbezirk Fulda zu den Urkirchspielen gehörte, wäre
hier eine Kapelle zu erwarten. Diese Kapelle wurde nicht überbaut,
sondern vom Neubau einer einschiffigen romanischen Kirche ersetzt. Diese
wiederum wurde um 1160-1180 zu einer romanischen Kirche auf
kreuzförmigem Grundriss mit Tonnengewölben erweitert. Untersuchungen in
Verbindung mit der Renovierung um 1927 ergaben, dass eine Krypta, die am
heutigen Kanzelpfeiler begann und wesentlich höher war als der heutige
Chorraumfußboden, vorhanden gewesen sein muss. In ihr befand sich das
von einer Quelle gespeiste Erwachsenen-Taufbecken, das 1926 bei
Grabungen im Rahmen der Renovierung unter der heutigen Vierung gefunden
wurde. Die erneute Erweiterung zu einer dreischiffigen Hallenkirche war
1350 durch den Anbau der Seitenschiffe mit gotischen Kreuzrippengewölben
abgeschlossen (Tafel dazu an der Nordwand der Kirche) – zuerst das
nördliche, dann das südliche Kirchenschiff. Da für diese Baumaßnahme
auch das Dach angehoben werden musste, war auch eine Erhöhung des
Kirchturms erforderlich. Der Kirchturm diente auch als Wachturm zur
Beobachtung von Feuerausbrüchen in der Stadt und von herannahenden
Truppen. Der Turmhelm wurde von Meister Clodt aus Kutenhausen gezimmert und 1743 erneuert; er hat heute eine Höhe von 57 Metern.
Der Turm mit über 2 Meter dicken Mauern zeigt außen äußerst präzise
gearbeitete Steine, die darauf schließen lassen, dass eine Bauhütte
beteiligt war. Er enthält auf Höhe der heutigen Orgelempore eine
landesherrschaftliche Kapelle, die durch zwei romanische Rundfenster mit
dem unteren Kirchenraum akustisch verbunden war. Die präzise
gearbeiteten Steine der Turmmauern, die Simsverzierungen der Säulen
(Würfelmuster, Akanthusblätter), der herausgehobene Triumphbogen deuten
darauf hin, dass die Soester Bauhütte wohl beim Bau Einfluss hatte
(vergl. St. Patroklus Soest, datiert 1170-1180) und dass hier
ursprünglich auch der Altarraum begann: in der Vierung, mit dem Altar
auf der Krypta und dem wohl im Triumph-Bogen aufgehängtem Triumph-Kreuz.
Das Lübbecker Triumph-Kreuz stammt aus dieser Zeit. Lübbecke, bereits
zum Jahre 775 in den Fränkischen Reichsannalen erwähnt, erhielt 1279
Stadtrechte.
1 Grundriss und Seitenansicht (1904)
Der Grundriss lässt einerseits erkennen, wie dick die Mauern des
Turmes gebaut wurden, in denen ein Treppengang zur
landesherrschaftlichen Kapelle emporführt und zeigt andererseits, welche
Mauern der Kirche auf kreuzförmigen Grundriss bei der Erweiterung 1350
mit verwendet wurden. Die gerühmt gute Akustik der Kirche wird darauf
zurückgeführt, dass die gotischen Seitenschiffe eine etwas größere
Deckenhöhe aufweisen als das romanische Mittelschiff.
2 Triumph-Kreutz in der St.-Andreas-Kirche Lübbecke. 12. Jh., unbeschädigter Zustand 1907.
Untersuchungen 1960 brachten folgendes Ergebnis: Skulptur aus einem
Baumstamm geschnitzt, ursprünglich fleischfarben bemalt, Gürteltuch rot
gefasst. Haltung und Zapfenlöcher im Kopf der Skulptur lassen den
Schluss zu, dass dort eine vergoldete Siegeskrone befestigt war. Wie das
Kreuz in den Dom zu Münster kam, ist bisher nicht geklärt; es wurde
dort aber mit dem Etikett „St. Andres Lübbecke“ versehen. 1943, bei der
Bombardierung des Domes, hing das Kreuz über dem Südportal: Es fiel
herunter, die Arme brachen dabei ab und es wurde dann provisorisch im
Dommuseum sichergestellt. Kantor E.-A. Klinker entdeckte 1958
die oben abgebildete Fotografie und holte das kostbare Kunstwerk
unmittelbar darauf nach Lübbecke zurück. Die Skulptur wurde restauriert
und auf einem neuen Eichenkreuz befestigt. Heute bildet das Kreuz den
Mittelpunkt des wiederhergestellten romanischen Chorraums.
3 Chorraum, originale Fresken aus dem 12. Jahrhundert
Bei der Renovierung 1959-1961 wurden die originalen romanischen
Fresken freigelegt und die rekonstruierten Teile deutlich mit blasserer
Farbgebung gekennzeichnet. Diese Restaurierungsart war beeinflusst vom
Malskat-Skandal 1952: Malskat hatte angeblich 1948 bei seiner
Restaurierung der Marienkirche in Lübeck bedeutende „gotische Fresken“
entdeckt, die sich später als Kunstfälschung von ihm selbst
herausstellten. Die Seitenwände zeigen vermutlich die 12 Apostel in der
himmlischen Stadt – eine deutende Untersuchung steht noch aus. Das
Fresko auf der Ostwand wurde 1883 beim Einbau des großen Fensters (1959
wieder geschlossen) zerstört.
Privilegierte Stiftsherren mit geistlichen Aufgaben – 1295-1810
Die Geschichte der St.-Andreas-Kirche weist eine Besonderheit auf:
Seit 1295 waren die Besitzverhältnisse getrennt. Der Chor-Teil gehörte
dem Stift St. Andreas; der übrige Teil der Kirche unterstand dem
Patronat der Stadt Lübbecke.
4 Epitaph des Domvikars Heinrich Lar aus Minden. 1539. Aufschrift CAPITULUM S. ANDREAE.
Den Brauch, Stifts und Ratsherren in der Kirche zu beerdigen, gab man
im 19. Jh. auf; die Grabplatten wurden versteigert und als Baumaterial
in der Stadt verwendet. Die Südtreppe der Kirche wurde aus alten
Grabplatten gebaut. Einige Grabplatten kamen bei Straßenarbeiten wieder
zum Vorschein und wurden an der Außenwand der Kirche aufgestellt. Die
Kirche besitzt heute noch viele historisch und künstlerisch wertvolle
Epitaphien und Grabplatten.
Im Jahre 1295 verlegte der Bischof Ludolf von Minden ein
Canonikerstift von Ahlden an der Aller über Neustadt am Rübenberge nach
Lübbecke. Da Lübbecke schon damals eine befestigte Stadt war, fühlte man
sich hier wohl sicherer; zudem zeigte sich in der Verlegung der Wunsch
des Bischofs, Lübbecke als Stadt zu stärken und deren zentralörtliche
Funktion zu bestätigen. Das Stift bestand aus sechs Canonikaten und neun
Vikarien. Es besaß Ländereien als Streubesitz von Hamburg bis
Paderborn. Diese wurden nach und nach abgestoßen, die daraus erzielten
Einkünfte legte man in Lübbecke und dem weiteren Umland neu an. Das
Stift bestand aus sechs Kanonikern, die in Lübbecke Präsenzpflicht
hatten, also persönlich anwesend sein mussten. Nach der Reformation
entfiel die Präsenzpflicht, das Stift bestand jedoch weiter. 1810 wurde
das Stift aufgelöst, sein Besitz fiel an den preußischen Staat, der sich
verpflichtete, für alle Reparaturen und Arbeiten am Chorraum der
St.-Andreas-Kirche aufzukommen (heute Staatshochbauamt Bielefeld).
Das Stift betreute neun Vikarien, die auf Stiftungen zurückgehen, die
ortsansässige Adelige und begüterte Bürger für das Seelenheil ihrer
Familien eingerichtet hatten. Die Kanoniker wurden dadurch verpflichtet,
Messen für das Seelenheil dieser Familien zu lesen. Die Canoniker und
ihre Vikare hatten täglich Gottesdienst zu halten hatten und kamen zum
Chorgebet (Horen) zusammen. Dazu nutzen sie den Chorraum unten in der
Kirche oder im Kirchturm die landesherrschaftliche Kapelle, die mit
einer Brücke zum höheren Stockwerk des Stiftshauses verbunden war (die
Tür ist außen auf der Südseite des Kirchturms noch sichtbar). Das Recht
des Landesherrn auf Nutzung dieser Kapelle wurde erst 1650 aufgegeben.
Die Namen der einzelnen Vicarien verraten noch die Namen der neben
dem Gemeindealtar damals vorhandenen neun Altäre in der
St.-Andreas-Kirche (in Klammern die Namen der 1632 verzeichneten
Patronate):
1 Dreieinigkeit (von Münch) – 2 St. Andreas (von Haddewig, ab 1632 von Klencke und von Wulffen) – 3 St. Thomas (von Schloen genannt Tribbe) – 4 Dreieinigkeit (ein zweiter Trinitatis-Altar, Familie Haverkamp, 1632 von Schloen genannt Gehle und der Rat der Stadt Lübbecke) – 5 Allerheiligen (Sekretariat der Stadt) – 6 Jungfrau Maria (Stiftsdekan und Kapitel) – 7 St. Bartholomäus & St. Jodocus (gegründet von der Familie Campen, 1632 Rat der Stadt) – 8 Maria Magdalena (Patronat unbekannt) – 9 Heilige Drei-Könige (Ratsversammlung)
Nach der Reformation entfiel die Präsenz- und Residenzpflicht. Die
Einkünfte mehrerer Altäre wurden für weltliche Zwecke – z. B.
Stadtschreiber und Stadtschule – umgenutzt. Die pädagogischen Leistungen
des Stiftes gingen in der neu gegründeten Stadtschule auf; die
Armenfürsorge oblag nun vollständig der Stadt. Im Jahre 1947 lebte das
Stift symbolisch durch die Einrichtung einer dritten Pfarrstelle wieder
auf; auch der Name St. Thomas erinnert an einen der Altäre des Stifts.
Politik, Krieg und Not in Lübbecke zur Zeit des Baues der Cord-Krüger-Orgel
Auslöser für den Dreißigjährigen Krieg 1618-1648 waren die
vorausgegangenen Auseinandersetzungen um die reformatorische Lehre
Luthers, die nicht ein Disput unter Theologen blieben, sondern
standespolitisch zum Aufstand der Bauern führten, landespolitisch der
erstrebten größeren Eigenständigkeit der Fürsten dienten und
europapolitisch Papst, Könige und den Kaiser in einen Strudel aus
Eigeninteressen zogen, den man, wie man glaubte, nur durch ständige,
wenn auch zunächst lokal begrenzte Kriege auflösen zu können, um wieder
Ordnung im Reich zu schaffen. Propagandistisch war es ein
Religionskrieg, eine Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Katholischer Liga auf der einen und Protestantischer Union
auf der anderen Seite, de facto jedoch ein Krieg, dessen strategische
Ziele von Machtinteressen der Länderfürsten und des Kaisers geprägt
wurden. Der Krieg vernichtete im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation
Dörfer durch Heere und marodierende Trupps, er setzte Städte in Brand,
plünderte sie ohne Rücksicht auf Religionszugehörigkeit aus oder
vernichtete sie einschließlich Bevölkerung nahezu vollständig wie z. B.
1626 in Münden (Hann. Münden) und 1631 in Magdeburg. Das alles führte
jedem Christen, gleich welcher Konfession, mal wieder vor Augen, wie
elend doch das Leben hier auf Erden sei und wie schön es im Himmelreich
sein müsse – ein Thema vieler Kirchenlieder aus dem 17. Jahrhundert.
Im Dreißigjährigen Krieg blieben die Lübbecker von Kriegslasten,
Einquartierungen, Überfällen, Geiselnahmen und Raub nicht verschont. Der
Krieg ernährte damals die Kriegsführenden, er war ein Geschäft, und die
Schwächsten, die Leidtragenden bei diesem Geschäft waren die Bauern und
die Bürger der Städte. Die Heere der Kriegsparteien bestanden aus
Söldnern, aus Berufssoldaten, die ohne politische Bindungen ihre Dienste
dem Fürsten verkauften, der sie als Machtmittel gerade benötigte und
bezahlte. Verpflichtungen kannten Sie nur gegenüber ihren Heerführern
wie z. B. Wallenstein, Tilly, Mansfeld, Pappenheim, die ihnen ja
„Arbeit“ boten. Wenn den Fürsten, den Auftraggebern, das Geld knapp
wurde, so „verheerten“ die Söldner die Regionen, die sie gerade
durchzogen oder in denen sie ihre Winterquartiere bezogen hatten, um
Fourage für die Pferde und Verpflegung für sich und ihren großen Tross
zu beschaffen. Blieb die Bezahlung gar aus, so wurden mit Billigung der
Heerführer Städte zur Plünderung freigegeben oder belagerte Städte
mussten sich mit hohen Summen freikaufen, um größeren Schaden zu
vermeiden – Erpressung und Verschleppung gehörten zum Alltag. Außerdem
brachten die Landsknechte Krankheiten mit, so die Pest 1626 in Lübbecke.
Im Dreißigjährigen Krieg erlebten einzelne Regionen aber auch Zeiten
der Ruhe, wenn sich das Kriegsgeschehen gerade in entfernteren Regionen
abspielte.
Studierte Lübbecker wie der Humanist und Publizist Johannes Buschmann im Geist der lutherischen Lehre oder Johannes Haverkamp,
Vikar der Vikarie „Sanctae Trinitatis“ im St.-Andreas-Kapitel und
konservativ für den katholischen Glauben eintretend, personifizierten
die Gegensätze der Meinungen in Lübbecke. Im Gegensatz zu Herford, wo es
bereits 1529 zum handfestem Streit um die neue Lehre der Reformation
gekommen war, und Minden, wo im gleichen Jahr die Bürger ihren Prediger,
den Benediktiner und Lutheranhänger Heinrich Traphagen, aus
dem Stadtgefängnis befreiten, verhielten sich die Lübbecker und der Rat
der Stadt offenbar zunächst abwartend; erst für 1569 wird der erste
evangelische Bürgermeister und 1574 der erste evangelische Stadtprediger
nachgewiesen. Offenbar hielten die Stiftsherren, die die Altäre
unterhielten, und die Adeligen der Stadt, die Burgmannsshöfe in der
Stadt besaßen, am katholischen Glauben noch länger fest, während sich
die Bürger Lübbeckes mehr und mehr der reformatorischen Lehre zuwandten.
Bereits 1583 wurde das Augsburger Bekenntnis für die Ämter im Stift Minden und in Lübbecke durch den Administrator Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel
(Amtszeit 1582-1585) für verbindlich erklärt; die Städte konnten aber
weiterhin ihre kirchlichen und schulischen Angelegenheiten selbst
regeln. Der Lübbecker Rat entschloss sich später, die 1618 entstandene
„Lüneburgische Kirchenordnung“ einzuführen.
5 Epitaph im Südschiff. Zustand 1962
Erinnerung an die Brüder Christian und August Balthasar von Wulfen
aus Lübbecke. Der Oberstleutnant Christian fiel 1641 bei Wehrendorf,
der Rittmeister August Balthasar 1645 bei Donauwörth. Ihr Hofgut in der
Stadt, von der Schwester Catharina Margarete von Wulfen verwaltet,
brannte 1648 ab.
Aus der: Stadtchronik Lübbecke: Der dänische Überfall
Obwohl die Stadt bereits 1626 Geld an die Dänen, die die Stadt
erfolglos belagerten, für einen Schutzbrief gezahlt hatte, nahm
Pfingsten 1627 ein Trupp dänischer Soldaten Lübbecke nach Kanonade des
Niedertores ein, plünderte die Stadt und verlangte als Lösegeld die
schwindelnd hohe Summe von 8.000 Reichsthalern, sonst würden sie mit 600
Soldaten die Stadt besetzen oder die Stadt in Brand setzen. Da das Geld
so schnell nicht aufzutreiben war, stellte man Geiseln mit dem
Versprechen, die Geiseln durch spätere Zahlung auszulösen. Die Geiseln
wurden bis Nienburg mitgeschleppt, ihre Erschießung drohte. Man einigte
sich im Juli 1627 auf eine Zahlung von 6.000 Reichsthalern in Raten,
deren erste Rate die Familie von Grappendorf vorstreckte, weil
die Stadtkasse leer war. Wegen Veränderung der politischen Lage ließen
die Dänen die Geiseln gezwungenermaßen frei, die Gesamtsumme wurde
niemals voll bezahlt. Trotz Klagen bis hin zum Reichskammergericht hat
die Familie von Grappendorf ihr verauslagtes Geld nie von der Stadt
Lübbecke zurückerhalten – der Fall beschäftigte die Gerichte bis 1748.
6 Madonna mit Jesuskind. Spätromanisch.
Die ehemals doppelfigürliche Madonna gehörte zu einem Radleuchter,
dessen Rad aus einem Rosenkranz mit Kerzenhaltern gebildet wurde. Die
Madonna verdankt ihre Erhaltung der Familie des Freiherrn von Ledebur (Gut Crollage): Im Rahmen der Renovierung 1927 übergab sie die Madonna wieder der Kirche.
Eine Sage und die Wirklichkeit
Der Sage nach verdankt die St.-Andreas-Kirche diesem Leuchter mit der
spätromanischen Madonna-Figur ihre Erhaltung. Als im Dreißigjährigen
Krieg französische Soldaten in die Kirche eindrangen und die Kirche
anzünden wollten, bewegte sich der Leuchter im Luftstrom der offenen
Türen – in Lübbecke ist es ja öfters windig! Die Soldaten sahen darin
ein Zeichen der Muttergottes, hielten die Kirche für katholisch und
ließen von ihrem Vorhaben ab. Doch ein Blick in das Lübbecker Stadtbuch
zeigt eine andere Wirklichkeit: 1627 wurden Stadt, Kirche und Rathaus
nicht verschont. Damals kam es zum Kampf eines protestantischen Trupps
gegen eine kaiserliche Abteilung. Die Kaiserlichen mussten eine
Niederlage hinnehmen, aber die Soldaten der Protestantischen Union
drangen dennoch in die Stadt ein und plünderten und raubten.
Vom Wandel des Innenraums
Theologische Lehre und der Geschmack der Zeit brachten dem Innenraum
der St.-Andreas-Kirche viele Veränderungen. Leider wurden viele Akten
und Dokumente im Dreißigjährigen Krieg, beim Brand des Lübbecker
Rathauses 1705 und im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Leider erlebte die
Kirche auch Anfang des 19. Jahrhunderts einen Bildersturm. Der letzte
Stiftsdekan, Karl von Varendorf, ordnete 1804 einen allgemeinen
Verkauf der Wertsachen der Kirche an: Alle Altäre wurden abgebaut, die
Engel an der Prieche der von der Reckes verschwanden,
Grabsteine, deren Entstehung bis ins hohe Mittelalter zurückreichte,
wurden verkauft und als Baumaterial weiter verwendet – die Südtreppe der
Kirche besteht aus alten Grabplatten, und bei Straßenbauarbeiten und
dem Abriss von Häusern kamen einige Grabplatten wieder zu Tage, die an
der Außenwand der Kirche nun einen würdigen Platz fanden. Reste der
alten Altäre sowie die Front einer Renaissance-Empore wurden auf den
Dachboden der Kirche verbracht. Wie das alles ohne Widerstand der
Gemeinde geschehen konnte, ist noch ungeklärt, denn das Stift konnte nur
über den Chorraum verfügen, alles andere war Eigentum der
Stadtgemeinde. Umso erfreulicher ist es, dass dennoch einige
Kunstgegenstände erhalten blieben und heute wieder einen angemessenen
Platz in der St.-Andreas-Kirche fanden.
7 Fresko „Mariae Verkündigung“ 15. Jh. (?)
Das Fresko auf der Süd-West-Wand wurde bei der Restaurierung
1959-1961 freigelegt. Es zeigt Maria (Mitte) mit Engeln. Aufgrund des
schlechten Zustands entschied die Denkmalpflege, dass das Fresko mit
einer Gaze für spätere Restaurierungen gesichert wird. Die Wand wurde
wieder weiß gestrichen.
In der Amtszeit (1828-1864) des hochgebildeten Pfarrers Arnold Wilhelm Möller
(1791-1864) erfuhr der Innenraum der St.-Andreas-Kirche eine
wesentliche Veränderung. Möller war durch viele Publikationen bekannt
geworden und veröffentlichte im Eigenverlag eine Kirchen- und
Schulchronik. In diesen Schriften finden wir zusammenfassende Angaben
zur Geschichte der Lübbecker Kirche und auch zur Orgel. Möller fand die
Kirche in einem desolaten Zustand vor und sah eine Chance zur
Verbesserung. Im Zusammenhang mit der Auflösung des Stiftes 1810 war nun
Preußen in der Pflicht, finanzielle Mittel für die Gestaltung des
Chorraums bereitzustellen. 1828 schrieb Möller direkt an den preußischen
König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) in Berlin und
berichtete über den verfallenen Zustand des Altarraums, über das Fehlen
eines würdigen Altarbildes und eines Taufsteins und über den viel zu
tief gelegenen Fußboden des Chorraums – dieser heute wichtige Hinweis
zum niedrigen Fußboden kann als indirekter Beweis gedeutet werden, dass
die Kirche von 1180 tatsächlich eine Krypta in der Vierung besaß;
anderenfalls hätte man nach romanische Bauweise gleich im östlichen Teil
den Fußboden des Chor- bzw. Altarraums höher gelegt, mit herabführenden
Stufen zum Kirchenschiff.
Eine Schenkung des preußischen Königs
Die Veränderung des Kirchengestühls, die Restaurierung der für
Adelige vorgesehenen Priechen und der Umbau der Anhebung des
Chorraumbodens mit Stufen, wie wir ihn heute sehen, müssen 1830
abgeschlossen worden sein. Der König hatte schnell per Kabinettsorder
vom 20.12.1828 nicht nur die Baumaßnahmen und weiteres Geld für einen
neuen Altar und Taufstein genehmigt, sondern gleich auch per
ministerieller Benachrichtigung vom 11.11.1829 für den neuen Altar ein
Gemälde durch Vermittlung der königlichen Akademie der Künste
ausgewählt, das in Lübbecke nach Abschluss der Bauarbeiten eintraf.
8 „Die Taufe Jesu im Jordan“. Gemälde von Dosso Dossi. Spät-Renaissance
Am 14.11.1830 wurde der neue Altar mit einem kirchlichen Festakt
eingeweiht. 1817 hatte der König die Zusammenführung der reformierten
und lutherischen Gemeinden zur „Evangelischen Kirche in Preußen“, zur
sogenannte „unierten Kirche“, verordnet: 1830 hielt Möller dazu in
Lübbecke Vorträge und Predigten, die Gemeinde trat offenbar im gleichen
Jahr der Union bei. 1830 fanden in ganz Preußen, so auch in Lübbecke,
auf Geheiß des Königs Feierlichkeiten zum Jubiläum des Augsburger
Reichstagsbeschlusses („Confessio Augustana“ vom 25.6.1530) statt, der
als Geburtsstunde der evangelischen Kirche angesehen wird. So war die
Genehmigung der Mittel für den Umbau des Chorraums in Lübbecke und die
Schenkung des Bildes ein kluger Schachzug des Königs zur Akzeptanz der
Unierten Kirche und zur Identifikation mit der evangelischen Nation
Preußen.
9 Schinkels Entwürfe für den neuen Taufstein und das Tragwerk des neuen Altarbildes von Dosso Dossi
Das große Gemälde „Die Taufe Jesu im Jordan“ stammt aus der Sammlung des damals in Berlin ansässigen Kaufmanns Solly, die 1821 von der Verwaltung der königlichen Sammlung in Berlin aufgekauft wurde. Karl Friedrich Schinkel
entwarf einen neugotischen Altar als Tragwerk für das Gemälde und dazu
gleich einen passenden Taufstein. Der preußische Staatsbaumeister hat
die Skizze wohl schnell neben seinen vielen Verpflichtungen
abgearbeitet, denn die Maße seiner Zeichnung mussten verändert und in
der Ausführung angepasst werden, weil das Dossi-Gemälde höher war.
Dadurch veränderten sich die harmonischen Proportionen des schinkelschen
Entwurfs wesentlich: Der Altar muss wie eine schmale Bildtafel im
Chorraum, dessen Ostwand damals noch kein Fenster hatte, gewirkt haben.
Bereits für Juni 1841 wird eine Reparatur des beschädigten Altarbildes
vermerkt, und bereits 1883 ersetzte man den Altar durch ein
historisierendes Konglomerat aus Resten der alten Altäre, die man vom
Dachboden wieder herunterholte. Schinkels Taufstein blieb jedoch im
Chorraum und fand 1961 einen neuen Platz im unteren Kirchturmgewölbe.
Weitere Veränderungen
Der Ostgiebel der St.-Andreas-Kirche bestand ursprünglich aus
Fachwerk; über dem Chorraum befand sich die Amtsstube des
Kapitelpredigers. Dieser 1871 als sehr baufällig befundene Giebel wurde
1883 durch einen Sandstein-Giebel mit einem großen neugotischem Fenster
und einer Rosette ersetzt. Weil die Kapitelstube entfiel, liegt nun das
Dach des Chorraums tiefer als früher. Die Taufstube und die Sakristei
wurden ebenfalls im 19. Jahrhundert angebaut.
1893 begann die Verwaltung der Provinz Westfalen mit der
Veröffentlichung eines Fundamentalinventars aller Bau- und
Kunstdenkmäler in den Landesgrenzen Westfalens: Der Band für den Kreis
Lübbecke erschien 1907 (LUDORFF 1907, Stadt Lübbecke Seite 78 ff.) und
enthält heute für den Historiker höchst wertvolle Zeichnungen,
Abbildungen, Fotografien und Beschreibungen. Die folgenden Abbildungen
vom Innenraum der Lübbecker Kirche zeigen den Zustand um 1904.
10-11 Ludorffs Fotografien vom Innenraum der Kirche (1904)
Der Chorraum hat jetzt einen Aufgang mit Stufen, sein Fußboden liegt
höher als der Fußboden der Kirchenschiffe (Ergebnis der Baumaßnahmen von
1829-1830). Die Kirche zeigt an Decken und Wänden keine Bemalungen. Die
Säulen sind glatt geputzt und offenbar dunkler gestrichen. Die Ostwand
des Chorraums wird von einem großen neugotisches Fenster mit verbleiten
Glasmalereien (1883) dominiert, der Lichteinfall macht den Altar nur in
seinen Konturen wahrnehmbar und erschwert die Betrachtung seiner
Skulpturen oder Bilder. Im Chorraum steht der im Stile des Historismus
gestaltete Altar von 1883 und mittig der Taufstein nach dem Entwurf von
Schinkel. Die Kanzel, 1666 gefertigt von Meister Meyer aus Lemgo und gestiftet von Margaretha von Wulfen,
zeigt noch weiße Farben und ist eventuell noch in der originalen
Farbfassung erhalten. Die Kirche besitzt in der Vierung nördlich und
südlich des Chorraums kleinere Priechen sowie größere Priechen auf der
Nordseite (sichtbar) und vermutlich auch auf der Südseite (im Bild nicht
sichtbar). Das Gestühl zeigt kastenförmige Abgrenzungen (namentliche
Platzprivilegien der Lübbecker Familien?); dabei scheint es sich noch um
das alte Gestühl zu handeln, da noch Schnitzereien aus der
Spät-Renaissance vorhanden waren. Auf der Orgelempore steht bereits die
1904 eingeweihte Klaßmeier-Orgel im erweiterten alten
Cord-Krüger-Gehäuse.
Die Renovierung um 1927
Die nachfolgende Renovierung, die am 20.3.1927 mit der neuen Weihung
der St.-Andreas-Kirche zu einem Abschluss gekommen war, muss bei dem
Umfang der Arbeiten schon um 1925 begonnen worden sein. Diese
Renovierung, bei der auch Grabungen im Innenraum und genauere
Untersuchungen der Decken, Wände und Säulen vorgenommen wurden,
veränderte die Innenraum-Wirkung radikal. Bis auf die Orgelempore wurden
alle Priechen und das alte Kirchengestühl abgebaut und als
Brennmaterial versteigert. Neue Kirchenbänke mit Queraufstellung im
Mittelschiff einschließlich Gang als zentraler Mittelachse mit
Durchblick vom Turm bis zum Altar sowie längs aufgestellte Kirchenbänke
in den Seitenschiffen und in der Vierung unterstrichen nun den Grundriss
der Kirche.
12-13 Innenraum der Kirche, Postkarten. Zustand um 1957
Schinkels Taufstein wurde nach links versetzt, um die
Mittelachswirkung mit der Blickrichtung auf den Altar nicht zu stören.
Rechts am Eingang des Chorraums sieht man ein Orgelpositiv, das 1957 von
Alfred Führer (Wilhelmshaven) für die Kirche gebaut wurde –
das Holz des Gehäuses ist noch naturfarben und wurde später bei der
Renovierung 1960 in der Farbe der Kirchenbänke gestrichen. Der Altar von
1883 wurde nicht verändert.
14 Innenraum der Kirche. Zustand um 1959 (mit Beginn der Renovierung der Kanzel)
Kirchenmaler Bußmann aus Levern übertrug man die gesamte
Neu-Ausmalung der St.-Andreas-Kirche: Die romanischen Gurtbögen oberhalb
der Säulensimse schmückte nun eine Fries, das Gewölbe des Chorraums ein
Dekor und seine Wände unterhalb des neugotischen Fensters von 1883 ein
umlaufendes Fresko. Die Kanzel wurde farblich neu gefasst mit braun als
Grundfarbe, rot, grün und golden für die Ornamente. Ob der Altar
ebenfalls farblich überarbeitet wurde, lässt sich an den
Schwarz-Weiß-Fotografien nicht klären. Die Kirchenbänke in brauner
Farbe, die Orgelempore in braun-grün-rot, die Orgel in braun mit wenigen
grünen und roten Verzierungslinien – im Innenraum wurde das Braun zur
dominierenden Farbe, ein Eindruck, den auch die braunen Steine der
Säulen und Gurtbögen verstärkten. Die Orgelempore zeigt in der Mitte
(„Kantorenkanzel“) ein Relief: St. Andreas mit dem Lübbecker Stadtwappen
und der Jahreszahl 1561. Es ist möglich, dass das Relief bei der
Renovierung 1927 in die Orgelempore eingefügt wurde und aus altem
Ratsgestühl der Priechen stammt, die zur gleichen Zeit entfernt wurden.
15 Altarraum nach der Renovierung 1927. Zustand um 1959.
Die stilistische Einordnung der Ausmalung von 1927 fällt schwer: Man
erkennt romantische Dekors im Gewölbe des Chorraums, Elemente des
Historismus in den Gurtbögen und in der Farbgebung und Gestaltung der
Wände des Chorraums auch Elemente einer neo-gotischen Tapisserie
vermischt mit Erinnerungen an den Jugendstil.
Bei aller Kritik an der Renovierung von 1927 muss man anerkennen,
dass diese Renovierung offenbar von dem Gedanken geleitet war, die
Architektur der St.-Andreas-Kirche wieder „freizulegen“ bzw. dem
Besucher das Erlebnis eines gegliederten Innenraums zu vermitteln. Im
Prinzip wurde dieser Gedanke bei der Renovierung 1959-1961, begleitet
vom Landesamt für Denkmalpflege in Münster, weiter verfolgt, jedoch nun
mit neueren Erkenntnissen über romanische und gotische Baukultur in
Westfalen.
Die Renovierung um 1960
Leitgedanke der Restaurierung 1959-1961, die wiederum der
St.-Andreas-Kirche innen eine ganz andere Wirkung verlieh, war die
Rückführung der einzelnen Bauabschnitte und des Inventars der Kirche
möglichst auf den Originalzustand der Entstehung. Dazu waren
umfangreiche Untersuchungen notwendig, die vor allem die Farbgestaltung
betrafen. Grabungen wurden nicht durchgeführt. Die Neugestaltung des
Chorraums wurde von Prof. Rickert (Bielefeld) geplant, die
Ausmalung der Kirche sowie die Sicherung und Restaurierung der Kanzel in
der ursprünglichen Farbfassung von 1666 war den Kirchenmalern Bußmann und Peter (Levern) anvertraut, die Künstlerin Hilde Ferber übernahm die Gestaltung und Verglasung der romanischen Fenster.
16 Altarraum nach der Renovierung um 1960. Fotografie 1962.
Das neugotische Fenster im Chorraum wurde geschlossen, um den
romanischen Zustand von ca. 1180 wieder herzustellen. Der Chorraum
erhielt einen Boden aus Wesersandstein, ein Material, das auch früher
zur Dachabdeckung der Kirche verwendet worden war. Durch Absenkung des
Daches von Sakristei und Taufkammer und Öffnung der vermauerten Fenster
konnte der Lichteinfall der romanischen Fenster im Chorraum wieder voll
zur Wirkung kommen. Zugleich wurden die originalen Fresken aus dieser
Bauzeit wieder freigelegt – vermutlich war auf der 1883 veränderten
Ostwand die Kreuzigung dargestellt. Bei der Restaurierung gingen die
Restauratoren durch drei Bemalungsschichten aus verschiedenen Zeiten
direkt auf die Bemalung von ca. 1180 zurück. Reste originaler Bemalung
an den romanischen Fenstern gaben weiteren Aufschluss zur
Rekonstruktion. Ein schlichter Altar, nach romanischem Vorbild aus
Anröchter Dolomit neu angefertigt und darüber das alte romanische
Triumphkreuz trugen mit zur Wiederherstellung eines romanischen
Chorraumes bei. Später erhielt der Altar noch ein aus Holz geschnitztes,
ursprünglich farbiges Altarblatt, das vermutlich Teil des
St.-Andreas-Altars von 1646 war und von einem westfälischen Künstler
geschaffen wurde, denn auf dem Tisch stehen eine Schüssel mit
Grünkernsuppe und eine Platte mit Spanferkel.
Die Kirchenbänke wurden grün gestrichen und die Vierung von Bänken
befreit: Sie erhielt eine flexible Bestuhlung sowie einen Taufstein über
der Stelle, wo man 1926 das Erwachsenen-Taufbecken der Krypta gefunden
hatte – den romanischen Taufstein entdeckte Kantor Klinker in
einem Pfarrgarten in Schnathorst. Der Taufstein Schinkels fand eine neue
Aufstellung im unteren Gewölbe des Kirchturmes; an den Wänden des
Gewölbes brachte man nach Abschluss der Renovierung auch restaurierte
Bildnisse des Konglomerat-Altars von 1883 an. Bei der Untersuchung der
Wände legten die Fachleute auch Nischen frei: früher wohl
Sakramentshäuschen der alten Altäre, in denen Abendmahlsgeräte – Kelch,
Schale, Wein und Oblaten – aufbewahrt wurden. Die Nische rechts in der
Ostwand des Chorraums erhielt ein verglastes Gitter und wurde ab 1962
wieder zur Aufbewahrung der alten Lübbecker Abendmahlsgeräte genutzt.
Der Fund eines kleinen Stückes des Originalputzes von ca. 1180 an der
Westwand hinter der Orgel, der als Beweisstück für die Rekonstruktion
des originalen Putzes dort noch vorhanden ist, gab Aufschluss über die
ursprüngliche Gestaltung der Wände und Säulen. Die Steine auf den Säulen
und Bögen waren im 12. Jahrhundert aufgemalt, wie es in der Romanik
häufig Praxis war. 1925 wollte man – wie man dachte – die originalen
Steine wieder sichtbar machen und kratzte dazu den Putz mit Hacken von
den Wänden. Dabei hat man aus Unkenntnis viele originale Fresken stark
beschädigt oder sogar zerstört. Man fand aber an den Säulen nur eher
rohe, unregelmäßige Steine, die mit Werkzeugen riffelartig bearbeitet
waren: Um 1200 bekleidete man Wände und Säulen mit einem Putz aus Kalk,
Lehm und dies alles vermischt mit Tierhaaren, damit er mittels der
Riffelungen hielt; „Steine“ wurden im 12. Jahrhundert aufgemalt. Nach
der Enttäuschung putzte man dann um 1925 Säulen und Bögen mit einem
Betonputz mit zugefügtem Sandsteinmehl, um sie wieder zu glätten, und
modellierte die „Steine“ in den Putz. Dieser Putz wurde 1960 belassen,
hellgrau gestrichen und die „Steine“ entsprechend dem Fundstück
aufgemalt, um den Eindruck des originalen romanischen Raumes wieder
herzustellen.
Im Rahmen der Renovierung wurde auch die Originalgestalt der
Cord-Krüger-Orgel ermittelt und eine alte Farbgebung des Orgelgehäuses
freigelegt. Zusammen mit einem Orgelneubau durch die Firma Gustav
Steinmann in Vlotho-Wehrendorf erhielt auch das Orgelgehäuse seine
ursprüngliche Gestalt. Darüber wird im Kapitel zur Geschichte der Orgeln
der St.-Andreas-Kirche ausführlich berichtet.
Durch die alte Heizung, die über einen Schacht im Südschiff neben
Warmluft leider auch viel Staub in die Kirche blies, sowie durch andere
Einflüsse auf das Mauerwerk der Kirche waren 1988 bereits weitere
Renovierungs- und Konservierungsmaßnahmen nötig geworden, die die Statik
der Kirche verbesserten und eine sorgfältige Reinigung der Fresken,
Bilder und Skulpturen sowie einen Neuanstrich der Gewölbe- und
Wandflächen umfassten. Die Arbeiten führten die Kirchenmaler Wilhelm Becker und Wilhelm Hegerfeld (Stemwede) aus. Gleichzeitig wurden sechs neue Leuchter aufgehängt, die die Firma Paul Oehlmann (Bielefeld) anfertigte. Der Stand der Restaurierung von 1959-1961 wurde dadurch jedoch nicht verändert.