2018 Rheda-Wiedenbrück / Melle

Drei Orgeln, zwei Vereine und ein schöner Ausflug

Orgelfreunde aus Lübbecke und Espelkamp besuchten am 13. Oktober 2018 Rheda-Wiedenbrück und Melle.

Bereits zum zweiten Mal machten sich Mitte Oktober Mitglieder des Lübbecker Orgelbauvereins und des Espelkamper Orgelfördervereins gemeinsam auf den Weg zu interessanten Instrumenten der Region.

Das erste Ziel der Exkursion, die in diesem Jahr von Christoph Heuer (Espelkamp) vorbereitet und organisiert wurde, war die Katholische St. Clemens Kirche in Rheda. Bereits unterwegs führte Heuer die Teilnehmer in die Entstehungsgeschichte der dortigen Orgel ein, an der er selbst maßgeblich beteiligt war. Ende der 70er Jahre erschien das bestehende Instrument aus der Barockzeit der Gemeinde zu klein und sie entschied sich schließlich für einen Neubau. Ein Orgelbauverein wurde gegründet und die damaligen Musikstudenten Christoph Grohmann und Christoph Heuer entwickelten gemeinsam eine Klangidee und die Disposition für das neue Instrument. Der Orgelbauverein wuchs von anfangs 16 Mitgliedern auf schließlich 78 und konnte mit Hilfe zahlreicher Aktionen und dank einer großen Spendenbereitschaft der Gemeinde die notwendigen 780.000 DM aufbringen. Unterstützt von Mitgliedern des Chorvorstandes entstand schließlich in der Orgelbaufirma Fischer + Krämer (Endingen, Kaiserstuhl) ein großes, sinfonisches Instrument, das die vorhandene Barockorgel als Rückpositiv integriert und universell einsetzbar ist. Gleichwohl ist eine deutliche Prägung durch die romantische französische Orgelbaukunst (Cavaillé-Coll) wahrnehmbar, erläuterte Christoph Heuer.

Dieses besondere Klangspektrum demonstrierte der andere Vater des Instruments, Organist Christoph Grohmann, mit einer Auswahl von Stücken, darunter auch eigene Improvisationen, und einer abwechslungsreichen Registrierung. Neben dem auffälligen und im Prospekt sichtbaren Schwellwerk kam auch das Glockenspiel zum Einsatz und beeindruckte die Zuhörer. Abschließend konnten die Teilnehmer den terrassenförmigen Spieltisch auf der Empore besichtigen und das imposante Instrument mit weiteren Klangbeispielen aus der Nähe erleben.

Terassenförmiger Spieltisch der Orgel

Im Anschluss ging es für die rund 30 Orgelfreunde weiter nach Melle, wo zunächst für das leibliche Wohl gesorgt wurde. Bei sonnigem Herbstwetter erkundeten die Teilnehmer die örtliche Gastronomie und nutzten zugleich die Gelegenheit, sich über das Gehörte auszutauschen.

Danach stand der Besuch der Ev.-Luth. St. Petri Kirche auf dem Programm. Kirchenmusiker Daniel Skibbe gab zunächst einen Einblick in die Geschichte der Barockorgel. Diese wurde 1724 von Christian Vater, einem Schüler des berühmten norddeutschen Orgelbauers Arp Schnitger, gebaut und stellt neben der Orgel in der Amsterdamer Oude Kerk das größte Werk seines Erbauers dar. Nach mehreren, dem jeweiligen Zeitgeschmack geschuldeten Umbauten und Veränderungen im 19. und 20. Jahrhundert wurde das Instrument schließlich Ende des 20. Jahrhunderts von dem Schweizer Orgelbauer Bernhard H. Edskes umfänglich restauriert und in einen dem Konzept Vaters entsprechenden Zustand zurückversetzt. Dabei konnte auf einige teilweise oder vollständig noch vorhandene Register des Ursprungsinstruments zurückgegriffen werden und auch der Originalprospekt, der ohne große Verschnörkelungen auskommt, ist inklusive Cimbelstern noch erhalten und konnte entsprechend übernommen werden. Im Folgenden erläuterte Skibbe den Orgelfreunden, dass die Orgel sich besonders gut für Literatur aus der Renaissance und aus dem Barock eigne. Auch romantische Werke seien darauf spielbar. Allerdings sei bei der Auswahl der Stücke die ungleichschwebende Stimmung des Instruments zu beachten, durch manche Tonarten klanglich problematisch seien, so der Kirchenmusiker weiter. Schließlich demonstrierte Skibbe den interessiert lauschenden Zuhörern die Klangschönheit und –vielfalt der Vater-Orgel an verschiedenen Beispielen, wobei er zwischendurch immer wieder die Registrierung erläuterte und kleine „Schmankerl“ einstreute. So waren beim Choral „Ich singe dir mit Herz und Mund“ alle Anwesenden eingeladen, mitzusingen, und der Cimbelstern verlieh dem Lied „Weißt du, wie viel Sternlein stehen?“ einen beinahe sphärischen Charakter. Auch hier konnten die Teilnehmer im Anschluss noch den Spieltisch besichtigen und die Orgel aus der Nähe betrachten. Dabei erfuhren die Besucher, dass die Luftzufuhr sowohl elektrisch als auch durch Muskelkraft erwirkt werden kann. Zudem weist die Orgel getrennte Sperrventile für die einzelnen Werke auf und eine mit dem Calcantenzug betätigte Glocke kann wie zu Christian Vaters Zeiten Bälgetreter an ihre Aufgabe erinnern.

Zum Abschluss des reichhaltigen Programms ließen sich die Exkursionsteilnehmer schließlich noch von Exkursionsleiter Christoph Heuer die Orgel in der Kath. St. Matthäus-Kirche erklären. Ursprünglich wurde das Instrument von Mitgliedern der Herforder Orgelbauerfamilie Klausing für das Dominikaner-Kloster in Osnabrück gebaut. Sie befand sich in der dortigen Klosterkirche auf dem Lettner, also der Trennwand zwischen dem Chor und dem eigentlichen Kirchenschiff, und besaß aufgrund des beschränkten Platzangebots kein Pedalwerk. Im Zusammenhang mit der Säkularisierung des Klosters zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam die „Königen aus Westfalen“ schließlich nach Melle. Nach verschiedenen Umbauten und Veränderungen wurde die Orgel im Jahr 2009 von der Orgelbaufirma Ahrend aus Leer restauriert und auf den historischen Zustand zurückgeführt sowie um ein selbständiges Pedalwerk ergänzt. Mit einer abwechslungsreichen Auswahl an Stücken vermittelte Heuer den interessierten Besuchern einen Eindruck von der klanglichen Vielfalt des Instruments, welches im Plenum dann allerdings doch so manchen etwas überdimensioniert für den Kirchenraum anmutete. Abschließend wurde noch der seitlich zum Instrument angebrachte Spieltisch, eine bauliche Besonderheit, die auf den Einsatz als Lettner-Orgel zurückzuführen ist, besichtigt und erklärt, bevor die Musikfreunde aus dem Mühlenkreis den Tag bei Kaffee und Kuchen ausklingen ließen. Zurück im Lübbecker Land bedankten sich alle bei Christoph Heuer für die tolle Organisation und warten nun schon gespannt auf die nächste Orgeltour.

Ina Härtel